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Verraten

Verraten

Titel: Verraten Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Esther Verhoef , Berry Escober
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Stehtisch. Sie strich den Stoff ihres Cocktailkleides glatt und befühlte vorsichtig ihr aufgestecktes Haar. Alles saß noch, wie es sollte. Ein fantastisches Kleid. Champagnerfarben. Die passenden Pumps dazu. Eine Frisur, an der Enrico heute Nachmittag zwei Stunden gearbeitet hatte. Sie sah aus wie ein Filmstar. Und genau das war ihre Absicht gewesen. Sie wollte Aufsehen erregen.
    Eine Stunde bevor sie von zu Hause losgefahren waren, hatte sie sich vor dem wandhohen Spiegel in ihrem Ankleidezimmer hin- und hergedreht. Sie hätte sich selbst fast nicht wiedererkannt. Entzückt hatte sie sich zu Sil umgewandt, der mit gereizten Bewegungen seine Smokingkrawatte band. Doch er hatte ihr Aussehen erst kommentiert, nachdem sie ihn ausdrücklich darum gebeten hatte.
    »Du siehst immer schön aus«, hatte er gemurmelt.
    Den Smoking hatte sie ihn zuletzt in seiner Sagittarius -Zeit tragen sehen. Ihr war aufgefallen, dass ihm die Jacke ein wenig eng saß. Sie spannte um Schultern und Rücken. Und sein kurz rasiertes Haar passte nicht recht zu der eleganten Aufmachung. Aber das war ihr egal. Er begleitete sie. Das allein war schon wundervoll. Mehr verlangte sie gar nicht.
    Auf der Fahrt nach Naarden hatte Sil kein Wort gesagt, und nachdem sie hineingegangen waren, sank seine Stimmung endgültig auf den Nullpunkt. Er sprach nicht mehr als das Allernotwendigste. Lächelte nicht einmal. Auch nicht, als sie ihm ihre Kollegen vorstellte, denen er gezwungenermaßen die Hände geschüttelt und die er danach eiskalt ignoriert hatte, als seien sie Luft für ihn.
    Es war fast schon peinlich.
    Ein Ober in goldfarbener Hose und mit nacktem, geöltem Oberkörper räumte ihr leeres Glas ab. Es war noch voll gewesen, als Sil sich entschuldigt hatte. Sie schaute auf die Uhr und spürte, wie ihre Anspannung wuchs.
    Das Telefon läutete.
    »Susan«, sagte sie nur.
    »Ich bin’s.«
    Ihr Herz setzte für einen Schlag aus. Sie hörte Stimmengewirr und Gelächter im Hintergrund, als riefe er von einer Kneipe aus an. Obwohl ihr Körper heftig auf seine Stimme reagierte, versuchte sie krampfhaft, sich nichts anmerken zu lassen.
    »Hallo«, sagte sie, sorgfältig ihre Atmung kontrollierend.
    »Wie geht’s dir?«
    »Gut«, log sie.
    »Ich möchte dich wiedersehen, Susan. Ich glaube, es wäre besser, wenn wir über alles reden würden. Ich kann kein Auge mehr zutun.«
    »Es gibt da nicht viel zu bereden«, antwortete sie leise. »Ich glaube, es ist besser, alles beim Alten zu lassen. Es führt ja doch zu nichts. Wir würden nur uns und anderen unnötig wehtun.«
    Er schwieg einen Moment und sagte dann: »Ich würde gern unter vier Augen mit dir reden, nicht am Telefon.«
    »Aber es gibt nichts, worüber wir reden müssten. Wir sind zu weit gegangen. Nein, falsch: Ich bin zu weit gegangen. Ich will nicht, dass deine Ehe mit Alice wegen mir in die Brüche geht. Ich weiß nur zu gut, was du ihr bedeutest. Und ich weiß, dass du sie liebst.«
    »Die Sache mit Alice habe ich zu verantworten«, erwiderte er leicht gereizt. »Sie ist mein Problem, nicht deines. Du solltest Probleme denjenigen überlassen, die sie etwas angehen.«
    »Nein«, entgegnete sie. »Wir hätten uns mit unserer Fantasie begnügen sollen, Sil.«
    Bevor er antworten konnte, knallte sie den Hörer auf die Gabel. Einen Moment lang starrte sie wie betäubt auf den Apparat.
    Hatte sie das wirklich getan?
    Keine drei Sekunden später läutete wieder das Telefon. Sie nahm nicht ab. Der schrille Klingelton füllte ihr Apartment. Wütend riss sie den Stecker aus der Wandsteckdose.
    »Mist!«, fluchte sie das Bild mit den bunten Koi-Karpfen an, das über ihrem Esstisch hing. »Verdammter Mist, verdammter!«
    »Kann ich Ihnen irgendwie helfen?« Die Stimme kam von der Tür her.
    Mit einem Ruck drehte sie sich um. Schaute in das Gesicht eines Mannes, der in ihrer Diele stand. Freundliche, mandelförmige Augen. Feine Gesichtszüge, gebräunte Haut. Blondes, ziemlich kurzes Haar mit beginnenden Geheimratsecken. Schätzungsweise ein Meter achtzig groß oder etwas kleiner. Durchschnittlicher Körperbau. Jeans, blaues Langarm-Shirt mit rotem Replay-Logo quer über der Brust. Trekkingschuhe.
    Sie hatte ihn noch nie zuvor gesehen.
    »Entschuldigung«, sagte er. »Die Tür stand einen Spalt offen, und ich habe laute Stimmen gehört.«
    Sie hätte sich in die Nase beißen können. Wie konnte sie nur so dumm sein? Die Tür klemmte bei feuchtem Wetter. Das halbe Jahr Abwesenheit hatte sie das vergessen

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