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Verraten

Verraten

Titel: Verraten Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Esther Verhoef , Berry Escober
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Buchstaben, dass er sie nicht ohne Weiteres entziffern konnte. Er riss das Päckchen an der Seite auf. Eine Videokassette steckte darin, ohne Hülle und ohne Etikett. Eine normale, schwarze, altmodische VHS-Videokassette. Er schüttelte das Päckchen und schaute hinein. Es war keine Nachricht dabei.
    Merkwürdig.
    Er ging mit dem Band ins Wohnzimmer und schob es in den Recorder. Setzte sich mit der Fernbedienung vor den Fernseher und drückte auf Wiedergabe. Es dauerte ein paar Minuten, ehe er begriff, was er sich da anschaute. Und noch eine lange Minute verging, bis sich ein roter Nebel vor seine Augen senkte.
    Die Fernbedienung knackte unter seinem eisernen Griff.
    Den Rest wollte er nicht mehr sehen.
    Dennoch schaute er weiter zu und spürte, wie sich ihm der Magen umdrehte.
    Alice war tot. Sie lag irgendwo leblos, mit geschlossenen Augen und eiskalter, blutleerer Haut in einer Kühlschublade in einer Leichenhalle und wartete darauf, eingeäschert zu werden. Doch auf dem Band lebte sie, bewegte sich. Tat die ekelhaftesten Dinge.
    Er merkte kaum, wie er am ganzen Körper vor Wut und Ohnmacht unkontrolliert zu zittern begann. Er kniff die Augen zu, um die Bilder nicht mehr sehen zu müssen, aber er wusste, dass es sinnlos war. Sie hatten sich durch seine Netzhaut gebohrt und waren in sein Bewusstsein eingedrungen wie ein chronisches, latentes Virus.
    Er warf die Fernbedienung auf den Marmorboden, wo sie zerschellte.
    Er stand auf und schaute auf die Uhr. Es war zehn nach zwölf.
    Er eilte in sein Arbeitszimmer, setzte sich an den Computer und bewegte die Maus ungeduldig hin und her, bis der PC aus seinem Stand-by-Schlummer erwachte. In Alice’ Weihnachtsadressenbestand fand er, was er suchte: Paul und Anna Düring. Eine Adresse in Naarden. Er klickte das Icon eines Routenplaners an und gab die Adresse ein. Merkte sich den Weg, fuhr den PC herunter und ging ins Ankleidezimmer.
    Vom obersten Regal nahm er eine Tarnhose, einen schwarzen Pullover und ein paar knöchelhohe Sportschuhe herunter. Rasch zog er sich um und hockte sich vor den Tresor unten im Kleiderschrank. Er gab den Code ein, und die Tür sprang mit einem Klicken auf. Er zog einen kleinen, schwarzen Rucksack heraus und überprüfte den Inhalt: Sturmhaube, Maglite, ein Paar dünne, schwarze Kunststoffhandschuhe, ein aufgerolltes Werkzeugset und ein zusammengerolltes Holster. Er zog das Holster über seinen Pullover und wandte sich wieder dem Inhalt des Tresors zu. Holte einen Schalldämpfer heraus und seine Pistole, eine Heckler & Koch Mark 23 SOCOM. Weiter hinten im Tresor lagen noch drei weitere, kleinere Waffen und eine halb volle Schachtel mit.45-ACP- und 9-Millimeter-Munition. Er streifte die dünnen Handschuhe über und nahm die ACP Patronen heraus. Bestückte ungeduldig das Magazin der HK mit zwölf der speziellen Unterschallpatronen und schob das Magazin mit einem Klicken in den Griff. Dann zog er die Handschuhe wieder aus, ließ den Schalldämpfer in die Seitentasche seiner Tarnhose gleiten und steckte die HK in das Holster. Schlüpfte in eine schwarze Jacke, verstaute die Handschuhe im Rucksack und zog mit einem Ruck das Verschlussband zu.
    Mit dem Rucksack in der Hand drehte er sich um. Aus dem mannshohen Garderobenspiegel starrte ihn ein grimmiger Kerl an.
    Ihm graute vor seinem eigenen Spiegelbild.
    Es war nicht sein Aufzug, der ihn erschreckte. Es war der Ausdruck in seinen Augen.
    Kalte Mordlust sprach aus ihnen.
    Auf dem Weg durch die Diele griff er nach den Autoschlüsseln auf dem kleinen Tisch und betrat vom Haus aus die Garage. Er nahm einen Klappspaten aus dem Regal und ging hinaus. Die Scheinwerfer des Carrera 4 leuchteten auf, als er mit der Funkfernbedienung die Alarmanlage ausschaltete und die Türen entriegelte. Er öffnete die Heckklappe, warf den Spaten in den Kofferraum und stieg ein. Fuhr langsam die Auffahrt hinunter. Die sechs Zylinder surrten folgsam. Erst am Ende der Straße schaltete er die Scheinwerfer ein und gab Gas.
    Es war kein besonders großes Haus. So, wie er Paul einschätzte, hätte er ihm etwas Protzigeres zugetraut als die nüchterne Zwanzigerjahre-Villa. Ohne anzuhalten oder auch nur die Geschwindigkeit zu verringern, fuhr er vorbei. Prägte sich blitzschnell das Haus und alles Wichtige in dessen Umfeld ein.
    Es war ein Haus, wie es typisch für Naarden und Umgebung war: ein Balkon zur Straße hin, weiß gestrichene Holzleisten entlang der Regenrinne, graue Dachpfannen und zahlreiche Bleiglasfenster in einer

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