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Verraten

Verraten

Titel: Verraten Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Esther Verhoef , Berry Escober
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den Betonrand, der den Kies auf der Auffahrt von dem mit Rhododendren bewachsenen Begrenzungsbeet trennte. Er verlagerte sein gesamtes Gewicht auf diesen Fuß. Der Betonrand war stabil. Wie ein Seiltänzer balancierte er darauf etwa zwanzig Meter weit die Auffahrt entlang, wobei er immer wieder über überhängende Rhododendronzweige treten musste. An der Garage blieb er stocksteif stehen.
    Über den dunkelgrünen Türen hing eine rechteckige Halogenleuchte. Möglicherweise war sie mit einem Bewegungssensor ausgerüstet. Er richtete den Blick auf eine Nische zwischen der hinteren Fassade der Villa und der Garage. Dort befand sich ein dunkles Gartentor. Noch einmal betrachtete er die Halogenlampe und wägte die Gefahren ab. Er schätzte die Wahrscheinlichkeit äußerst gering ein, dass drinnen irgendjemand mitbekam, wenn sich das Licht einschaltete. Das einzige Fenster auf dieser Seite befand sich im Erdgeschoss.
    Er musste es riskieren. Mit wenigen Sprüngen erreichte er das Gartentor. Die Lampe leuchtete nicht auf. Also kein Bewegungsmelder.
    Er merkte, dass er zitterte, und gönnte sich ein paar Sekunden Pause, um wieder ruhiger zu werden. Er vergewisserte sich, dass man ihn von der Straße aus nicht sehen konnte, nahm den Rucksack ab, zog aus der kleinen vorderen Tasche die Handschuhe heraus, streifte sie über und warf den Rucksack wieder über die Schulter. Dann drückte er behutsam den Griff des Gartentores hinunter. Es war abgeschlossen, was ihm unsinnig vorkam. Aber ein Schloss, selbst in einem nicht mal zwei Meter hohen Gartentor, vermittelte den Leuten eben ein trügerisches Gefühl der Sicherheit.
    Mit den behandschuhten Händen zog er sich an dem Tor hoch. Er blickte über den Rand hinweg in den Garten. Er lag fast ganz im Dunkeln, war höchstens zehn Meter lang und von einem hohen Zaun umgeben, den er vorhin schon von der Rückseite her gesehen hatte. Rechts lag die linke Seitenwand der Garage, in der sich zwei Fenster auf Brusthöhe sowie eine Tür zum Garten befanden. Zwei altmodische Straßenlaternen dienten als Gartenbeleuchtung. Eine davon stand auf dem Trennstreifen zwischen dem Zierpflaster der Terrasse und dem Rasen, eine hing neben der Hintertür. Sie waren nicht eingeschaltet.
    Er zog sich weiter hinauf und setzte einen Fuß oben auf das Tor. Dann den anderen. Das Tor knarrte ein wenig unter seinem Gewicht. Er hielt den Atem an. Langsam ließ er sich auf der anderen Seite hinunter. Einen Moment lang blieb er still stehen, mit dem Rücken dicht am Tor. Erst als er sicher war, dass er nichts anderes hörte als das laute Pochen seines eigenen Herzens, bewegte er sich vorsichtig weiter bis zu dem ersten Garagenfenster. Aus der Seitentasche seiner Tarnhose holte er die kleine Maglite, schaltete sie ein, indem er den Kopf drehte, und verkleinerte den aufleuchtenden Lichtkegel mit der Hand. Er leuchtete in die Garage hinein. Betonfußboden, unverputzte Backsteinwände. Regale mit Farbdosen, einige an einem Brett aufgehängte Gartengeräte, eine Werkbank, ein Fahrrad und eine Tiefkühltruhe. Trotz allem war noch genügend Platz für ein Auto, aber es stand keines darin. Mit an Sicherheit grenzender Wahrscheinlichkeit konnte er jetzt davon ausgehen, dass Paul nicht zu Hause war. Er sog seine Wangen nach innen und dachte nach.
    Natürlich würde Paul heute Nacht irgendwann nach Hause kommen. Er könnte ihn in seiner Garage oder auf der Auffahrt abfangen. Dadurch würde er die Alarmanlage und den damit einhergehenden Zeitdruck umgehen.
    Irgendetwas sagte ihm, dass er nicht gründlich genug nachgedacht hatte. Dass er etwas übersah.
    Etwas Essenzielles.
    Plötzlich fiel ihm ein, was es war. Er hätte sich vor den Kopf schlagen können. Anna. Er war so auf Paul fixiert gewesen, dass er nicht mehr an dessen Frau gedacht hatte. Anna, die nicht das Geringste mit der Sache zu tun hatte. Die wahrscheinlich nicht einmal etwas von den kranken Spielchen ihres Mannes ahnte. Sie war unschuldig. Auch ihr wurde Unrecht getan. Auf eine andere Weise als ihm, aber dennoch. Es würde ihr einen schlimmen Schock versetzen, von einem maskierten, bewaffneten Kerl gefesselt oder bewusstlos geschlagen zu werden, der sich anschließend ihren Mann vorknöpfte. Womöglich würde sie nie mehr darüber hinwegkommen. Er versuchte, sich an Anna zu erinnern, wie sie auf dieser schrecklichen Jubiläumsparty ausgesehen hatte. Selbstsicher war sie aufgetreten, die Umstehenden hatten an ihren Lippen gehangen. Ein strahlender, starker

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