Verraten
Art Jugendstil. Pauls Wagen stand nicht in der Auffahrt, aber das musste nichts zu bedeuten haben. Er täte gut daran, ihn in der Garage rechts neben dem Haus am Ende der Auffahrt zu parken.
Ein paar Straßen weiter fand Sil einen öffentlichen Parkplatz neben einem kleinen Einkaufszentrum. Etwa zehn Pkws waren dort abgestellt, dazu ein kleiner Lkw und der Lieferwagen eines Handwerkbetriebs. Zu dieser späten Stunde war der Parkplatz nicht mehr beleuchtet, und die Autos waren durch einige schlampig abgestellte Kleidercontainer und verwilderte Sträucher größtenteils der Sicht von außen entzogen.
Er schaltete die Scheinwerfer aus und fuhr den Porsche in eine dunkle Parklücke zwischen dem Lieferwagen und dem Lkw. Drehte den Zündschlüssel um und stieg aus.
An die fünf Minuten blieb er reglos in der dunklen Stille stehen und hörte nur das Ticken des abkühlenden Motors. Er beobachtete die Fenster der umliegenden Wohnungen, die zu dem kleinen Platz hin lagen. Nirgends ging Licht an. Nirgendwo wurde eine Gardine beiseitegeschoben.
Erst als er sich sicher war, dass er niemanden aus dem Schlaf gerissen oder anderweitig alarmiert hatte, machte er sich in Richtung der Villa auf den Weg. Er wollte sich dem Haus lieber nicht von der Straße her nähern, da die gesamte Vorderfront von Straßenlaternen erleuchtet wurde.
Er überquerte die Straße, ging an einigen Reihenhäusern entlang und bog in eine Brandgasse ein, die in einer T-Kreuzung endete. Vor ihm lag ein Wassergraben. Auf der anderen Seite befanden sich die Zäune der Villengärten.
Er bog links ab und blieb auf diesem Weg. Er lief dicht an den Zäunen und Gartenschuppen der Reihenhäuser entlang und hielt sich so weit wie möglich im schützenden Schatten.
Pauls Haus war leicht wiederzuerkennen, da es das einzige mit weißen Regenrinnen war. Er befand sich jetzt genau dahinter. Das Problem war der Graben, der ungefähr zwei Meter breit war. Am anderen Ufer verlief ein dunkler, höchstens dreißig Zentimeter breiter Streifen, der, wie er annahm, aus nackter Erde bestand und der an den Zaun von Pauls Garten angrenzte. Von der Rückseite her kam er nicht an das Haus heran. Der Boden musste feucht sein, und er würde zu viele Spuren hinterlassen, die die Spurensicherungsexperten und das kriminaltechnische Labor lesen würden wie ein offenes Buch.
Er schaute nach links den Weg hinunter, der in eine Seitenstraße der Hauptstraße mündete. Zwischen dieser Straße und Pauls Villa stand nur noch ein weiteres Gebäude.
Er hoffte darauf, dass um diese Zeit nur noch wenige Leute auf den Beinen waren, und solange er sich im Schatten hielt, war er durch seine Kleidung ausgezeichnet getarnt. Er holte seine Sturmhaube aus dem Rucksack, zog sie über den Kopf und ging bis ans Ende des Weges. Schaute nach rechts und links. Kein Mensch weit und breit.
Im Laufschritt rannte er weiter, bis er wieder die Straße erreicht hatte. Dort blieb er an der Ecke des Bürgersteigs stehen und hielt nach allen Seiten Ausschau. Bog rechts ab und hielt sich so dicht wie möglich an den Sträuchern der Vorgärten. Hoffte, dass niemand auf die Idee kam, jetzt noch mit seinem Hund Gassi zu gehen.
Geräuschlos und halb gebückt rannte er an dem Eckhaus vorbei nach rechts und schaffte es, unbemerkt die Auffahrt von Pauls Villa zu erreichen. Dort suchte er im Schatten eines Baumes Schutz vor dem Licht der Straßenlaternen.
Von seinem Versteck aus begutachtete er das Haus genauer und runzelte die Stirn. Unter dem Dach der Seitenfassade war ein Bewegungsmelder angebracht. Von Alarmanlagen hatte er keine Ahnung. Er besaß zwar genügend technisches Wissen und gesunden Menschenverstand, um solche Anlagen auszubaldowern, wenn er genügend Zeit dazu hatte, aber dies war weder der richtige Zeitpunkt noch der richtige Ort dafür. Er stieß einen unterdrückten Fluch aus. Fragte sich anschließend, wie lange es dauern würde, bis die Polizei zur Stelle sein konnte, nachdem der Alarm losgegangen war. Er hatte keine Ahnung. Zehn Minuten? Eine Viertelstunde? Würde ihm das reichen?
Er ließ den Blick weiter über die Fassade wandern. Nirgendwo brannte Licht. Er spitzte die Ohren, doch es drangen keinerlei Geräusche aus dem Haus. Er verlagerte seine Aufmerksamkeit auf die Auffahrt, die noch genauso verlassen dalag wie vorhin, und dann zur Garage am Ende, die zwei grüne Holztüren und ein Giebeldach besaß.
Es erschien ihm ratsam, sich zuerst dort etwas umzusehen. Vorsichtig setzte er einen Fuß auf
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