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Verraten

Verraten

Titel: Verraten Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Esther Verhoef , Berry Escober
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die Hand.
    »Eine 9-Millimeter«, sagte er. »Ein erheblich größeres Kaliber. Sie hat einen ordentlichen Rückschlag. Halte deshalb deine Arme nicht gestreckt, sondern leicht gebeugt, um den Schlag abzufangen. Versuch’s mal.«
    Sie schaute ihn an.
    »Es ist eigentlich gegen die Regeln«, erklärte er. »Aber solange du nur auf die Schießscheibe zielst und nicht auf meine Beine, ist es schon in Ordnung.«
    Sie nickte.
    Sie blieben noch zwei Stunden am Schießstand. Schossen abwechselnd. Mit der 9-Millimeter war es wesentlich schwieriger als mit der kleinkalibrigen Waffe. Die ersten paar Male erschrak sie vor dem Rückschlag, der sich anfühlte, als versetze ihr jemand einen kurzen, festen Tritt gegen die Hände. Die Schüsse hörten sich auch erheblich lauter an als das zivilisierte Peng der.22er. Es war alles andere als angenehm, aber man gewöhnte sich rasch daran. Nach zehn Runden schoss sie mit der großen Waffe genauso sicher wie mit der Vereinspistole.
    »Du bist gut«, sagte Sven, als sie ihre Sachen zusammenpackten. »Besser als ich am Anfang. Willst du wirklich nicht weitermachen?«
    Sie schüttelte den Kopf. »Es hat mir Spaß gemacht, es einmal auszuprobieren. Und vielleicht komme ich noch einmal mit, wenn das für dich okay ist jedenfalls, aber ich möchte es nicht jede Woche machen oder sogar zweimal pro Woche so wie du. Ich finde es nicht wirklich entspannend. Dafür erinnert es mich zu sehr an meine Arbeit.«
    »Schade«, sagte er.
    Auf dem Rückweg redete Sven in einer Tour über seine Leidenschaft für Waffen. Wie man Munition manipulierte, ähnlich wie man ein Auto oder ein Moped tunte, sodass sie schneller wurde. Wie man lernen konnte, das selbst zu machen. Er quasselte ununterbrochen und sie nickte und murmelte eine bestätigende Antwort, wenn er mal eine kurze Pause einlegte.
    Sie dachte an Sil. Bestimmt war Alice inzwischen beerdigt worden. Sie fragte sich, ob sie jemals wieder von ihm hören würde. Wahrscheinlich saß er jetzt auf seinem Sofa im Wohnzimmer und starrte, zerfressen von Schuldgefühlen, ins Leere.

17
     
    Seine Gore-Tex-Motorradkombi hielt die Nässe ab, schützte ihn aber nicht ausreichend vor der Kälte, sodass er inzwischen bis auf die Knochen durchgefroren war. Außerdem knurrte ihm der Magen. Sich eine Zigarette anzuzünden, um den Hunger zu betäuben, war ausgeschlossen. Er verfluchte Paul, der in dem exklusiven Hafenrestaurant saß, wo er sich wahrscheinlich einen kapitalen Hummer genehmigt hatte. Seine Henkersmahlzeit, dachte er grimmig.
    Er schaute auf seine Seiko. Es war inzwischen schon nach elf. Seit gut einer Stunde hatte kein Fahrzeug mehr das Hafengelände verlassen. Jetzt hielt er die Umgebung für menschenleer und ruhig genug, um sich aus seiner Deckung zu wagen.
    Es wurde Zeit, Paul aufzuspüren.
    Er ging davon aus, dass das Foto der schwarzen Yacht in Pauls Arbeitszimmer sein jetziges Schiff zeigte und nicht etwa sein erstes. Das Problem war, dass hier hunderte Boote vor Anker lagen, über verschiedene Stege verteilt, und er unmöglich wissen konnte, an welcher Stelle sich Pauls Yacht befand. Er forschte in seinem Gedächtnis.
    Soweit er sich erinnern konnte, lagen in diesem Hafen hauptsächlich Segelboote, die die Besitzer zu Vergnügungsfahrten auf dem Gooisee oder dem etwas weiter entfernten Ijsselmeer nutzten. Die Motoryachten waren bei Weitem in der Minderzahl und hatten ihre Liegeplätze jeweils an den äußeren Enden der Stege, zwischen den Segelbooten.
    Es gab allerdings einen besonderen Steg für die größeren Schiffe, und zwar am nördlichen Ende des Geländes, wenn er sich recht entsann. Auf diesen Steg, an dem auch zahlreiche Motorboote ankerten, wollte er sich zuerst konzentrieren. Sollte er die Yacht dort nicht finden, würde er für heute aufhören. Er konnte unmöglich den ganzen Hafen absuchen und auf den Stegen hin- und herlaufen, ohne dass ihn irgendjemand sah oder hörte.
    Jetzt, da er endlich aktiv werden konnte, wurde sein Kopf klarer, und die Wut kochte wieder in ihm hoch. In den vergangenen Stunden hatte er sich derart auf wegfahrende Autos und seinen leeren Magen konzentriert, dass der Grund seiner Anwesenheit an diesem Ort in den Hintergrund getreten war. Vielleicht war das ganz gut so. Immer schön eins nach dem anderen. Zuerst der erste Schritt, dann der zweite.
    Er stand auf. Seine Muskeln waren steif geworden. Er streckte Arme und Beine aus, drehte den Kopf hin und her und rollte mit den Schultern. Er holte seine Sturmhaube

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