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Verraten

Verraten

Titel: Verraten Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Esther Verhoef , Berry Escober
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unverwechselbar. Paul stieg in seinen BMW und fuhr in Sils Richtung die lange Zufahrtsstraße entlang.
    Sils Müdigkeit war mit einem Schlag verflogen. Er wartete, bis der BMW rechts abbog, setzte seinen Helm auf, zog sein Motorrad aus den Sträuchern und fuhr die Zufahrtsstraße entlang hinter seinem Zielobjekt her.
    Es war nicht schwer, Paul unauffällig zu folgen. Auf dem langen, schnurgeraden Autobahnstück, das die durch Einpolderung gewonnene Provinz mit dem ursprünglichen Festland verband, ließ er sein Motorrad zurückfallen, bis von dem BMW nichts mehr zu sehen war außer zwei roten Rückleuchten. Als der Wagen sich der A 1 näherte, gab er Gas. Im letzten Moment sah er den grauen Boliden in östlicher Richtung abbiegen, in Richtung Amersfoort, und er folgte ihm weiter in sicherem Abstand.
    Sil kannte die Umgebung hier ziemlich gut und rechnete damit, dass Paul nach Hause fahren würde, doch der BMW verließ die Autobahn früher als erwartet. Vor der Abfahrt Gooimeer setzte Paul den Blinker. Sil gab Gas und überholte einige Fahrzeuge, gerade noch rechtzeitig, um Paul am Ende der Ausfahrt links abbiegen zu sehen. Das konnte nur eines bedeuten: dass er zum Yachthafen fuhr.
    Das war ärgerlich. Mehr als ärgerlich. Sil kannte diesen Yachthafen. Er war in seiner Sagittarius -Zeit oft genug dort gewesen, öfter, als ihm lieb gewesen war. Dieser Hafen gehörte zu den elitärsten weit und breit. Aufgrund der gesellschaftlichen Stellung zahlreicher Schiffseigner betrachtete das Personal jedes unbekannte Gesicht mit Argusaugen. Paul direkt bis ins Hafengebiet zu folgen war ausgeschlossen. So lange her war es nun auch wieder nicht, dass er regelmäßig dort zu Gast gewesen war. Er ärgerte sich schwarz darüber, dass er sein Äußeres nicht verändert hatte. Ein Schnäuzer, eine Brille, eine andere Haarfarbe, und er hätte sich ohne Weiteres unter die Schiffseigner mischen können, ohne dass jemand in der kontaktscheuen Brillenschlange Sil Maier von Sagittarius wiedererkannt hätte. In langsamem Tempo bog er in die Straße ein, die am Hafen vorbeiführte. Große Flaggen wehten an den Masten neben dem Eingang.
    Im Vorüberfahren schaute er nach links und sah den BMW auf den erleuchteten Parkplatz einbiegen. Anstatt Paul zu folgen, fuhr er die Straße weiter durch. Am Ende gabelte sie sich. Er bremste, schaltete in den Leerlauf und drehte den Zündschlüssel um. Er brauchte Zeit zum Nachdenken.
    Was wollte Paul hier, direkt nach der Arbeit? Vielleicht wollte er essen gehen. Oder er war verabredet. Mit Geschäftsfreunden. Der Rotaryclub hatte seinen Sitz im Restaurant des Yachthafens, und er hätte sich schon sehr irren müssen, wenn Paul dort nicht Mitglied gewesen wäre. Vielleicht besuchte er jemanden, der hier ein Boot liegen hatte. Das Foto von der schwarzen Yacht fiel ihm ein, das im Arbeitszimmer in Pauls Haus an der Wand hing. Wie groß war die Chance, dass die schwarze Yacht Paul gehörte? Und dass das Schiff in diesem Hafen lag, nur wenige Kilometer von Pauls Haus entfernt? Ziemlich groß. Er ließ den Motor an und fuhr zurück, an dem Eingang mit den Fahnenstangen vorbei. Dann lenkte er seine Triumph auf einen schmalen Weg, der dem Eingang fast genau gegenüberlag, und fuhr hundert Meter weiter. Er hätte es schlechter treffen können.
    Der Hafen lag außerhalb von Naarden und war von Sträuchern und Bäumen geschützt. Von der Autobahn aus sah man nichts von dem ausgedehnten, modernen Hafengebiet, das an den Naarder Wald angrenzte. Es gab nur eine Ein- und Ausfahrt und dutzende Stellen, an denen er Posten beziehen und die Zufahrt ungesehen beobachten konnte.
    Möglicherweise war Paul hierhergefahren, um ein Häppchen zu essen. Das würde er durch Beobachtung schnell herausfinden. Und wenn Paul nicht von selbst herauskam, würde er ihn in ein paar Stunden besuchen gehen.
    Er blickte sich um, bevor er das Motorrad in die Büsche schob. Warf einen Blick nach oben. Der Himmel war klar und dunkelblau, und es schien ein matter Sichelmond. Sil brach ein paar Zweige von Bäumen und Sträuchern ab und bedeckte damit das Motorrad. Dann raffte er dürre Blätter zusammen und verteilte sie sorgfältig über die Zweige. Auf diese Weise sah man von der Straße aus so wenig wie möglich unnatürliches Glänzen.
    Falls die Polizei jemals Ermittlungen anstellte, würden die abgebrochenen Zweige unter Umständen gefunden. Aber die Chancen standen gut, dass sie hier nicht einmal suchen würden. Oder die Zweige übersahen.

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