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Verr�ter wie wir

Titel: Verr�ter wie wir Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: John le Carr�
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gleich einsargen lassen«, schreit er fast.
    * * *
    DenOrt wechseln? Sich bei Nacht und Nebel nach Zürich absetzen, nach Basel, nach Genf? Wofür letztendlich? Um ein Hornissennest hinter sich zurückzulassen – düpierte Ladenbesitzer, Vermieter, Makler, die dörfliche Gerüchteküche?
    »Ich könnte uns ein paar Knarren beschaffen, wenn Sie möchten«, versuchte Ollie Luke aufzuheitern, wieder einmal vergebens. »Angeblich ist hier jeder Haushalt bis an die Zähne bewaffnet, da helfen alle neuen Verordnungen nichts. Für den Einmarsch der Russen. Die guten Leute ahnen nicht, dass der Feind längst unter ihnen ist.«
    »Hoffen wir’s«, sagte Luke mit tapferem Lächeln.
    * * *
    Für Perry und Gail hatte dieses improvisierte Dasein etwas Idyllisches – etwas Reines , hätte es Dima wehmütig genannt. Sie fühlten sich auf einen fernen Außenposten der Menschheit abkommandiert, wo ihre einzige Mission die Sorgfaltspflicht gegen ihre Schutzbefohlenen war.
    Wenn Perry nicht mit den Zwillingen Klettern übte (denn Luke drang darauf, dass sie sich an die unbegangeneren Pfade hielten, und Alexej hatte entdeckt, dass er doch schwindelfrei war, er hasste bloß Max), bummelte er mit Dima durch die Abenddämmerung oder saß mit ihm auf einer Bank am Waldrand. Dann stierte Dima hinab ins Tal, mit derselben düsteren Intensität, mit der er auch in dem winzigen Krähennest in Three Chimneys zwischendurch ins Dunkel gestiert hatte – mitten im Reden verstummt war, um zu stieren … sich mit dem Handrücken über den Mund zu wischen … einen Schluck Wodka zu kippen … weiterzustieren. Manchmal verlangte er, mit seinem Taschenrecorder im Wald allein gelassen zu werden, nur von Ollie oder Luke diskret aus der Ferne bewacht. Aber die Kassetten behielt er für sich. Sie waren seine Rückversicherung.
    Erwar gealtert in diesen Tagen, empfand Perry. Vielleicht ging ihm allmählich die volle Tragweite seines Verrats auf. Vielleicht suchte er, wenn er in die Ewigkeit starrte oder geheimes Zeug in seinen Recorder murmelte, nach einer Art innerer Aussöhnung. Seine auffallende Zärtlichkeit gegenüber Tamara mochte darauf hindeuten. Möglicherweise stiftete eine wiedererwachte Wory-Religiosität eine neue Nähe zwischen ihnen:
    »Mein Tamara, wenn die stirbt, ist Gott schon lang taub, so scheißviel, wie sie betet«, bemerkte er stolz, und Perry beschlich der Verdacht, dass er bezüglich seines eigenen Seelenheils nicht ganz so optimistisch war.
    Perry staunte auch über Dimas Nachsicht mit ihm selbst, die im gleichen Maße zu wachsen schien wie seine Verachtung für Lukes halbe, fast im gleichen Atemzug wieder bedauernd zurückgenommene Versprechen.
    »Keine Sorge, Professor. Eines Tages, wir sind alle glücklich, hörst du? Gott richtet schon diese ganze Scheiße«, verkündete er, während er mit Perry den Pfad entlangschlenderte, eine Hand besitzergreifend auf Perrys Schulter gelegt: »Viktor und Alexej, bist du gottverdammter Held für sie. Kann sein, sie machen dich irgendwann Wor.«
    Das lautstarke Gelächter, das dieser Äußerung folgte, konnte Perry nicht täuschen. Seit Tagen schon sah er sich zunehmend in der Nachfolge von Dimas Reihe tiefer Männerfreundschaften: mit dem verstorbenen Nikita, der aus ihm einen Mann gemacht hatte, mit seinem ermordeten Jünger Mischa, als dessen Beschützer er so schändlich versagt hatte, und all den anderen Kämpfern und eisernen Rittern aus Kolyma, Lenker seiner Geschicke während der Lagerzeit und darüber hinaus.
    * * *
    ZuHectors mitternächtlichem Beichtvater dagegen avancierte er quasi aus heiterem Himmel. Er und Gail wussten, auch ohne dass Luke es ihnen sagte – die täglichen Ausflüchte reichten vollauf –, dass es in London nicht so glattlief, wie von Hector angenommen. Und so sehr Luke es zu kaschieren suchte, war doch klar, dass die Anspannung auch bei ihm ihren Tribut forderte.
    Als darum nachts um eins Perrys Handy losdudelte, so dass er senkrecht im Bett hochfuhr (Gail eilte sofort über den Flur zu den schlafenden Mädchen, ohne abzuwarten, wer anrief), dachte er im ersten Moment, Hector wolle ihn bitten, Luke ein bisschen aufzubauen oder – reines Wunschdenken! – aktiver daran mitzuwirken, die Dimas nach England zu schaffen.
    »Was dagegen, wenn ich ein paar Minuten mit Ihnen schwatze, Milton?«
    War das wirklich Hectors Stimme – oder ein Recorder, bei dem die Batterien schwächelten?
    »Schwatzen Sie los.«
    »So ein polnischer Philosoph, in den ich immer mal

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