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Verr�ter wie wir

Titel: Verr�ter wie wir Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: John le Carr�
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das andere Mal lange Hosen und ein Sonnenhütchen aus Stoff. Aber dazu jeweils dieselben Bergstiefel und Strümpfe und denselben Knotenstock. DerMann hatte beim ersten Mal Shorts angehabt und beim zweiten Mal eine ausgebeulte Leopardenhose, aber immer dieselbe blaue Schirmmütze, und die Hände hielt er auch beide Male gleich, so strikt seitlich, dass sie beim Gehen kaum mitschwangen.
    Und Ollie war Ausbilder im Observieren gewesen, daher widersprach man ihm bei so etwas besser nicht.
    Ollie hatte nach Gails und Nataschas kleinem Intermezzo mit den Schweizer Behörden auch ein wachsames Auge auf den Wengener Bahnhof gehabt. Laut einem Bahnbediensteten, mit dem er sich auf ein gemütliches Bierchen in der Eiger Bar getroffen hatte, zeigte die Polizei, die normalerweise nur hier und da bei einer Schlägerei dazwischenging oder pro forma nach Drogenschiebern fahndete, seit ein paar Tagen verstärkt Präsenz in Wengen. In den Hotels wurden die Melderegister überprüft, und den Fahrscheinverkäufern an Bahnhof und Bergbahnstation hatte man unauffällig das Photo eines bärtigen Mannes mit breitem Gesicht und Glatze vorgelegt.
    »Dima hat doch nicht etwa Bart getragen, oder, in der guten alten Zeit, als er in Brighton Beach seinen ersten Geldwaschsalon eröffnet hat?«, fragte er Luke bei einem beschaulichen Spaziergang durch den Garten.
    Sowohl Bart als auch Schnurrbart, gab Luke zähneknirschend zu. Gehörten zu der neuen Identität, die er angenommen hatte, um in die USA einreisen zu können. Das Ganze dann vor fünf Jahren wieder wegrasiert.
    Und als Ollie am Bahnhofskiosk die International Herald Tribune und die Lokalzeitungen durchsah, fiel sein Blick – Zufall, konnte man sagen, aber Ollie tat es nicht – auf dasselbe verdächtige Paar, das am Haus vorbeipatrouilliert war. Die beiden saßen im Wartesaal und starrten die Wand an. Zwei Stunden und mehrere Züge später saßen sie immer noch da. Die einzige Erklärung, die Ollie sich vorstellen konnte, war Pfusch: Die Ablösung hatte den Zug verpasst,und so warteten sie, während ihre Vorgesetzten überlegten, was jetzt zu tun war, und behielten dabei – denn sie hatten Blick auf Gleis 1 – gleich die Züge aus Lauterbrunnen im Auge.
    »Und die nette Dame im Käseladen wollte wissen, wie viele Leute ich eigentlich durchfüttere, was mir nicht recht gefallen wollte, wobei es natürlich sein kann, dass sie auf meinen leicht überdimensionierten Bauch angespielt hat«, schloss er, wie um Luke die bittere Pille zu versüßen, aber ein bisschen schwer fiel das Witzeln auch ihm.
    Luke grämte es außerdem, dass sie vier schulpflichtige Kinder im Haus hatten. Alle Schweizer Kinder hatten Schule, warum also unsere Kinder nicht? Das hatte ihn schon die Krankenschwester in der Dorfpraxis gefragt, als er seine Hand hatte untersuchen lassen. Seine lahme Antwort dahingehend, dass die internationalen Schulen gerade Ferien hatten, war ihm selbst alles andere als plausibel erschienen.
    * * *
    Bisher hatte Luke darauf bestanden, dass Dima im Haus versteckt blieb, und Dima hatte sich so tief in Lukes Schuld gefühlt, dass er murrend gehorchte. Er war noch so erfüllt von dem Handgemenge im Treppenschacht des Bellevue, dass Luke in seinen Augen nichts falsch machen konnte. Aber als ein Tag nach dem anderen dahinschlich und Luke sich immer neue Begründungen für die Saumseligkeit der Londoner Apparatschiks aus den Fingern saugen musste, schlug Dimas Stimmung in eine der Renitenz und dann des offenen Widerstands um. Er hatte die Nase voll von Luke und appellierte mit charakteristischer Unverblümtheit an Perry:
    »Wenn ich spazieren will mit Tamara, ich spazier«, knurrte er. »Wenn ich schönen Berg seh, ich zeig ihn ihr. Dasist hier nicht Scheißdreck-Kolyma. Sagst du das Dick, hörst du, Professor?«
    Für das sanft ansteigende Teersträßchen hinauf zum Aussichtspunkt forderte Tamara einen Rollstuhl. Ollie wurde ausgeschickt, um einen herbeizuschaffen. Mit ihrem rotgefärbten Haar, dem wild verschmierten Lippenstift und der Sonnenbrille wirkte Tamara wie aus der Geisterbahn entsprungen, und Dima mit seinem Blaumann und der Skimütze bot auch keinen viel erhebenderen Anblick. Aber an einem Ort, an dem menschliche Absonderlichkeiten die Norm waren, sah man eher eine Art Philemon und Baucis in den beiden, wenn Dima Tamara langsam den Hügel hinterm Haus hinaufschob, um ihr den Staubbachfall und das Lauterbrunnental in ihrer ganzen Herrlichkeit vorzuführen.
    Und wenn Natascha sie

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