Bücher online kostenlos Kostenlos Online Lesen

Verr�ter wie wir

Titel: Verr�ter wie wir Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: John le Carr�
Vom Netzwerk:
reinblättere.«
    »Wie heißt er?«
    »Kolakowski. Dachte, Sie könnten vielleicht von ihm gehört haben.«
    Hatte er, aber das behielt Perry lieber für sich. »Was ist mit ihm?« War der Mann betrunken? Zu viel Malt von der Isle of Skye?
    »Hatte sehr strikte Ansichten über Gut und Böse, mein Freund Kolakowski – die ich dieser Tage zu teilen geneigt bin. Das Böse ist böse, Punkt. Nicht durch gesellschaftliche Umstände bedingt. Nicht durch Unterprivilegiertheit oder Drogensucht oder was weiß ich. Das Böse als eine ganz und gar eigenständige Macht im Menschen.« Lange Pause. »Hab mich gefragt, was Sie wohl davon halten.«
    »Alles in Ordnung bei Ihnen, Tom?«
    »Ichguck immer mal in ihn rein. In düsteren Momenten. Kolakowski. Wundert mich, dass er Ihnen nicht untergekommen ist. Er hatte ein Gesetz. Ein ziemlich brauchbares, so wie die Dinge liegen.«
    »Was ist denn so düster an diesem Moment?«
    »Das Gesetz der endlosen Fülle hat er es genannt. Nicht dass es im Polnischen bestimmte Artikel gäbe. Unbestimmte auch nicht, was schon was heißen will, aber meinetwegen. Kernpunkt von seinem Gesetz ist, dass es für jedes beliebige Ereignis eine unendliche Anzahl von Erklärungen gibt. Unbegrenzt. Oder um es in einer Sprache zu sagen, die wir beide verstehen: Du kannst nie wissen, welches Arschloch dir eine reinwürgt, und warum. Tröstliche Worte, finden Sie nicht, so wie die Dinge liegen.«
    Gail war wieder da und stand lauschend in der Tür.
    »Wenn ich wüsste, was für Dinge das sind, könnte ich leichter eine Meinung abgeben«, sagte Perry – nun auch an Gails Adresse. »Gibt es irgendwas, was ich für Sie tun kann, Tom? Sie klingen ein bisschen durch den Wind.«
    »Haben Sie schon, Milton, alter Junge. Danke für Ihren Rat. Wir sehen uns dann morgen früh.«
    Sehen uns?
    »Ist irgendjemand bei ihm?«, fragte Gail und stieg ins Bett zurück.
    »Gesagt hat er jedenfalls nichts.«
    Ollie zufolge war Emily, Hectors Frau, nach Adrians Autounfall aus der gemeinsamen Londoner Wohnung ausgezogen. Sie gab dem Strandhaus in Norfolk den Vorzug, das näher am Gefängnis lag.
    * * *
    Luke steht stocksteif neben dem Bett, am Ohr das verschlüsselte Handy, das über Ollies improvisierte Verkabelung mit dem Recorder auf dem Waschbeckenrand verbundenist. Es ist nachmittags um halb fünf. Hector hat sich den ganzen Tag nicht gemeldet, auf keine von Lukes Nachrichten reagiert. Ollie ist beim Einkaufen: fangfrische Forellen und ein Wiener Schnitzel für Katja, die keinen Fisch mag. Dazu selbstgemachte Pommes für alle. Essen ist ein großes Thema dieser Tage. Jede Mahlzeit wird zelebriert, denn jede könnte ihre letzte gemeinsame sein. Manchen geht ein langes russisches Tischgebet voraus, von Tamara unter vielfachen Bekreuzigungen hervorgeraunt. Manchmal schweigt sie aber auch eisern, wenn sie alle warten, wohl zum Zeichen, dass die Runde der göttlichen Gnade entbehrt. Heute Nachmittag will Gail die leeren Stunden bis zum Abendessen überbrücken, indem sie mit den kleinen Mädchen einen Ausflug zum Trümmelbach macht, diesem unheimlichen Wasserfall, der im Innern des Berges in die Tiefe stürzt. Perry ist nicht ganz wohl bei der Vorstellung. Gut, sie wird ihr Handy mitnehmen, aber ob sie drinnen im Berg auch Empfang hat?
    Gail ist es egal. Ihr Plan steht. Kuhglocken bimmeln auf der Wiese. Natascha liest unterm Ahornbaum.
    »So, hier kommt sie«, sagt Hector mit Stahl in der Stimme. »Die ganze elendige Scheißgeschichte. Hören Sie?«

17
    Luke hört. Aus einer halben Stunde werden vierzig Minuten. Elendige Scheißgeschichte ist noch untertrieben.
    Und weil zur Eile kein Grund besteht, hört er sie sich danach gleich noch mal von vorne an, vierzig Minuten, auf dem Bett liegend. Es ist eine kurze Geschichte. Es ist ein Drama erster Güte, ob Komödie oder Tragödie, muss sich noch zeigen. Heute Morgen um acht wurden Hector Meredith und Billy Matlock vor ein kleines Tribunal in die Suite des Vize im vierten Stock bestellt. Dort wurde die Anklage gegen sie verlesen. Hector liefert die Kurzfassung, gewürzt mit seinen eigenen Kraftausdrücken.
    »Angeblich hat der Kabinettssekretär den Vize zu sich zitiert, um ihm Folgendes zu unterbreiten: dass nämlich ein gewisser Billy Matlock und ein gewisser Hector Meredith ein Komplott schmieden, um den guten Ruf eines gewissen Aubrey Longrigg zu besudeln, Parlamentsmitglied, Finanzmogul und Schranze der Surreyer Bonzenclique, als Rache für das Unrecht, das die Beklagten von

Weitere Kostenlose Bücher