Verr�ter wie wir
vorzeitig dahingerafft. Ihre Mutter, ebenfalls Schauspielerin, nur weniger liebenswert, hatte sich vom Acker gemacht, als Gail dreizehn war, und huldigte nun Gerüchten zufolge an der Seite eines zweiten Kameramannes an der Costa Brava dem einfachen Leben.
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PerrysEntschluss, den Staub der Gelehrsamkeit von seinen Füßen abzuschütteln – unwiderruflich, wie alle Entschlüsse bei Perry –, sollte gekoppelt sein mit einer Rückkehr zu seinen Wurzeln. Der einzige Sohn von Dora und Alfred Makepiece würde ihre sämtlichen Überzeugungen in die Tat umsetzen. Er würde seine pädagogische Laufbahn an dem Punkt neu beginnen, an dem sie gezwungen gewesen waren, die ihrige aufzugeben.
Er würde nicht länger den intellektuellen Überflieger spielen, sondern die ganz normale, prosaische Lehrerausbildung nachmachen und, getreu dem elterlichen Vorbild, Oberschullehrer in einer der sozial schwächsten Regionen des Landes werden.
Er würde Standardfächer unterrichten und dazu die einschlägigen Sportarten, bei Kindern, die ihn als Retter aus der absoluten Chancenlosigkeit brauchten, nicht als Freifahrschein zu bürgerlicher Betuchtheit.
Aber Gail fühlte sich durch diese Pläne nicht so beunruhigt wie vielleicht von ihm beabsichtigt. Bei all seiner Entschlossenheit, sich den Brennpunkten der Realität zu stellen, blieben doch Seiten an ihm, die nicht ins Bild passten, und mit den meisten war Gail mehr als vertraut:
Da war Perry, der verhinderte T. E. Lawrence, der als Student an der London University, wo die beiden sich kennengelernt hatten, zum Zwecke der Selbstkasteiung mit dem Fahrrad durch Frankreich gestrampelt war, bis er vor Erschöpfung umkippte.
Da war Perry, der Gipfelstürmer, der Perry, der keinen Lauf mitlaufen und kein Spiel mitspielen konnte, ob 7 er-Rugby oder die Weihnachtsscharaden mit Gails Nichten und Neffen, ohne zwanghaft gewinnen zu wollen.
Doch da war auch noch Perry, der heimliche Bacchant, der sich vereinzelte unvorhersehbare Ausbrüche von Genusssucht gönnte, bevor er zurückeilte in seine Dachstube. Und das war der Perry, der an diesem frühen Maimorgenauf dem besten Tennisplatz der besten rezessionsgebeutelten Hotelanlage Antiguas gegen den Russen Dima antrat, solange es noch kühl genug war zum Spielen, während Gail in Badeanzug, breitkrempigem Sonnenhut und einem seidenen Überwurf, der mehr freiließ als verhüllte, von der Tribüne aus zusah, um sie herum ein Sammelsurium stumpfblickender Zuschauer – nicht alle in Schwarz zwar, aber offenbar alle miteinander grimmig entschlossen, nicht zu lächeln, nicht zu sprechen und um Gottes willen kein Interesse an dem Match zu zeigen, dem sie hier beiwohnen mussten.
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Gail dankte dem Himmel, dass das Karibik-Abenteuer noch in der Zeit vor Perrys impulsiver Lebensentscheidung beschlossen worden war. Seine Ursprünge reichten zurück bis in den tristesten November, als Perrys Vater an dem gleichen Krebs gestorben war wie zwei Jahre zuvor seine Mutter, wodurch sich Perry plötzlich als leidlich gutsituierter Mann wiederfand. Ererbter Reichtum gehört einem nicht. Perry schwankte ernsthaft, ob er nicht alles, was er hatte, den Armen geben sollte. Aber nach einer von Gail inszenierten Zermürbungskampagne einigten sie sich stattdessen auf einen Tennisurlaub in der Sonne, ein Schnäppchen, wie es im Leben nicht wiederkam.
Und kein Zeitpunkt hätte besser gewählt sein können, wie sich zeigte, denn als sie losfuhren, gab es für sie beide noch weit schwerwiegendere Entscheidungen zu treffen:
Was sollte Perry mit seinem Leben anfangen, und sollten sie es gemeinsam anfangen?
Sollte Gail die Juristerei an den Nagel hängen und ihm blindlings hinausfolgen in die blaue Ferne, oder blieb sie besser London und ihrem kometenhaften Aufstieg dort treu?
Oderwurde es vielleicht langsam Zeit, sich einzugestehen, dass ihr Aufstieg nicht kometenhafter war als der der meisten Junganwälte, und einfach schwanger zu werden, womit Perry ihr ohnehin schon ständig in den Ohren lag?
Und auch wenn Gail, sei es aus Eigensinn, sei es zum Selbstschutz, große Fragen gern als kleine abtat, standen sie doch unzweifelhaft beide, jeder für sich wie auch als Paar, an einem Scheideweg und mussten erst mal ordentlich in sich gehen, und ein Urlaub auf Antigua schien dafür die ideale Gelegenheit.
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Ihr Flug hatte Verspätung, weshalb sie erst nach Mitternacht in ihrem Hotel ankamen. Ambrose, der allzeit bereite Majordomus der Anlage, brachte sie in ihr
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