Verr�ter wie wir
Ein anderer Deal steht nicht zur Debatte«, fuhr Luke fort, als Perry nichts weiter sagte. »Unsere Oberen in Whitehall binden sich nicht die ganze Sippschaft ans Bein, ehe sie nicht wissen, dass Dima den Aufwand wert ist.« Und als Perry immer noch nichts erwiderte: »Zu mehr kriegt Hector sie nicht ohne ordentliches Verfahren, tut mir leid.«
» Ordentliches Verfahren?«, sagte Perry nach längerem Schweigen.
»Da kommen wir leider nicht drum rum.«
»Ich dachte, es geht um die Menschen.«
»Tut es ja auch.« In Luke schoss der Zorn hoch. »Genau deshalb will Hector, dass Sie es Dima sagen. Er meint, er soll es lieber von Ihnen erfahren als von mir. Der Meinung bin ich auch. Ich würde vorschlagen, Sie warten damit noch. Morgen am frühen Abend ist völlig ausreichend. Dann brütet er nicht die ganze Nacht darüber. Gegen sechs, würde ich sagen, damit ihm genug Zeit für seine Vorbereitungen bleibt.« Kann der Mann es denn nie gut seinlassen?, fragte er sich im Stillen. Wie lange soll ich mir dieses schiefe Pferdegesicht noch anschauen?
»Und wenn er nicht liefert?«, insistierte Perry.
»So weit denkt hier niemand. Immer schön ein Schritt nach dem anderen. So läuft das nun mal. Diese Sachen lassen sich nicht einfach durchplanen.« Und indem er sich eine Spitze gönnte, die er sofort bedauerte: »Wir sind hier nicht an der Uni. Das ist das richtige Leben.«
»Ich muss Hector sprechen.«
»Er hat gleich gesagt, dass Sie das sagen würden. Er wartet schon auf Ihren Anruf.«
* * *
Als er allein war, schlug Perry den Weg hinauf zum Waldrand ein, den er sonst immer mit Dima ging. Mit der flachen Hand wischte er den Abendtau von einer Bank, setzte sich hin und wartete, dass seine Gedanken zur Ruhe kamen. Unter sich in dem erleuchteten Haus konnte er Gail, die vier Kinder und Natascha sehen, die auf dem Boden des Wintergartens im Kreis um das Monopolybrett saßen. Ein empörter Aufschrei von Katja drang zu ihm hoch, gefolgt von Alexejs lautem Protest. Er zog sein Handy heraus und starrte es in dem Dämmer an, bevor er die Taste für Hector drückte, der sofort abhob.
»Wollen Sie die aufgehübschte Version oder die nackte Wahrheit?«
Da sprach der alte Hector, der Hector, bei dem Perry das Herz aufging, der Einpeitscher aus dem sicheren Haus in Bloomsbury.
»Die Wahrheit reicht völlig aus.«
»Also gut. Wenn wir unseren Mann rüberfliegen, werden sie ihn anhören und sich ein Urteil bilden. Das ist das Äußerste, was ich ihnen abringen konnte. Bis gestern waren sie nicht mal dazu bereit.«
» Sie? «
»Die Obrigkeiten. Die eben. Wer zum Teufel glauben Sie denn? Wenn er’s nicht bringt, werfen sie ihn zurück ins Wasser.«
»In welches?«
»Das russische im Zweifel. Wen interessiert das? Tatsache ist doch, er wird’s bringen, das wissen Sie so gut wie ich. Und wenn sie sich erst entschlossen haben, ihn zu behalten, was einen Tag oder höchstens zwei dauern kann, dann darf auch der Rest der Bescherung mit, Frau, Kinder, Pflegekinder, sein Hund, wenn er einen hat …«
»Hat er nicht.«
»Jedenfalls haben sie im Prinzip den ganzen Deal akzeptiert.«
»Was heißt, im Prinzip?«
»Hören Sie, ich hab mir schon den ganzen Tag die Haarspaltereien von irgendwelchen superklugen Whitehall-Arschlöchern anhören dürfen, ich brauch nicht noch mehr von dem Scheiß. Wir haben ein Abkommen. Solange unser Mann die Ware liefert, wird der Rest mit der gebotenen Schnelligkeit nachgeholt. Das haben sie versprochen, und ich muss es ihnen glauben.«
Perry schloss die Augen und sog die Bergluft tief ein.
»Was verlangen Sie also von mir?«
»Nur das, was Sie schon die ganze Zeit tun. Opfern Sie Ihre hehren Prinzipien für das größere Ganze. Wickeln Sie ihn ein bisschen ein. Wenn Sie ihm sagen, dass es noch schiefgehen kann, kommt er nicht. Wenn Sie sagen, alle seine Forderungen sind akzeptiert, nur dauert es noch ein klein wenig, bevor er mit seinen Lieben wiedervereint wird, dann kommt er. Sind Sie noch dran?«
»Schon.«
»Sie erzählen ihm die Wahrheit, aber Sie erzählen sie selektiv. Wenn er nur den Hauch einer Chance wittert, sich von uns ausgetrickst zu fühlen, ergreift er sie. Wir sind zwarenglische Gentlemen, die für Fairplay stehen, aber wir sind auch die Hundesöhne des perfiden Albion. Haben Sie das gehört, oder rede ich hier gegen die Wand?«
»Ich hab’s gehört.«
»Dann sagen Sie mir, dass ich unrecht habe. Sagen Sie mir, dass ich ihn falsch einschätze. Sagen Sie mir, dass Sie einen
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