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Verr�ter wie wir

Titel: Verr�ter wie wir Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: John le Carr�
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Mischmasch. Dimas Schuld war es nicht. Das wussten wir ja von Mark. Die Dimas waren gerade erst hingezogen. Hatten nichts daran gemacht, außer im Schnellverfahren die Sicherheit aufgestockt. Uns hat das nicht weiter gestört. Eher im Gegenteil. Es hat für einen schwer überfälligen Realitätsbezug gesorgt.«
    Dr. Yvonne, die es nie genau genug wissen konnte, blickte von ihrem medizinischen Gutachten auf. »Und Schornsteine gab es demnach keine, Perry?«
    »Doch, zwei gehörten zu einer verfallenen Zuckermühle am Westende der Landzunge, und der dritte stand allein am Waldrand. Ich dachte, ich hätte das auch in unserem Dokument erwähnt.«
    Von wegen unser Dokument! Wie oft soll ich mir das noch anhören? Unser Dokument, das du geschrieben hast und das ich nicht sehen durfte, aber die schon? Es ist dein Scheißdokument! Es ist denen ihr Scheißdokument! Gails Wangen brannten, und sie hoffte, dass er es bemerkte.
    »Und dann, als wir den Hang zum Haus hinunterstiegen, vielleicht zwanzig Meter entfernt, würde ich sagen, stoppte Dima uns plötzlich«, sagte Perry, und sein Ton gewann an Dringlichkeit. »Beide Hände erhoben. STOPP! «
    »Und war das auch der Moment, als er verschwörerisch den Finger an die Lippen legte?«, fragte Yvonne und hob kurz den Kopf, während sie schrieb.
    »Ganz genau«, schaltete Gail sich ein. » Exakt der Moment. Unglaublich verschwörerisch. Erst das STOPP , dann der Finger an den Lippen. Wir dachten, das gehört mit zur Kinderüberraschung, deshalb gingen wir darauf ein. Ambrose hatte zwar gesagt, sie wären zum Krabbenrennen verfrachtet worden, deshalb schien es ein bisschen seltsam, dass sie plötzlich doch im Haus sein sollten. Aber wir nahmen einfach an, der Plan hätte sich geändert und sie wären doch nicht gefahren. Ich zumindest dachte das.«
    »Danke, Gail.«
    Wofür, Herrgott noch mal? Dafür, dass ich Perry die Schau zu stehlen versuche? Nichts zu danken, Yvonne, das tu ich doch gern. Und gleich weiter:
    »Dima hatte uns so weit, dass wir buchstäblich den Atem angehalten haben. Wir sind auf Zehenspitzen geschlichen. Ohne eine Sekunde an ihm zu zweifeln – das sollte ich vielleicht noch dazusagen. Wir gehorchten ihm, ganz untypisch für uns beide, aber so war es. Er führte uns zu einer Tür, einer Haustür, die aber an der Seite war. Sie war nicht verschlossen, er drückte sie einfach auf und trat vor uns hindurch und drehte sich dann sofort zu uns um, eine Hand erhoben und die andere an die Lippen gedrückt wie« – wie Daddy als Gestiefelter Kater im Weihnachtsspiel, nur nüchtern , hätte sie fast gesagt, verkniff es sich aber – »ja, und dazu eben dieser bohrende Blick, der uns zum Schweigen verdonnerte. Oder, Perry? Erzähl du weiter.«
    »Und dann, als er wusste, er hat uns am Haken, winkte er uns herein.« Perrys Tonfall minimalistisch in bewusstem Gegensatz zu ihrem, die Stimme, die er macht, wenn er ernstlich aufgeregt ist, es aber nicht zeigen will. »Wir sind in eine leere Eingangshalle geschlichen. Gut, was heißt Halle! Vielleicht drei mal vier Meter groß, mit einem gesprungenen Westfenster mit einem Rautenmuster aus Klebeband, durch das die Abendsonne hereinströmte. Dimahatte immer noch den Finger am Mund. Ich trat über die Schwelle, und er packte meinen Arm, so wie er ihn schon auf dem Tennisplatz gepackt hatte. Ein Griff wie ein Schraubstock. Ich hätte nie im Leben dagegenhalten können.«
    »Dachten Sie denn, Sie müssten dagegenhalten?«, wollte Luke mitfühlend wissen, Männer unter sich.
    »Ich wusste nicht, was ich denken sollte. Ich war in Sorge um Gail, ich hatte das Gefühl, ich sollte mich zwischen sie stellen. Für ein paar Sekunden nur.«
    »Aber lang genug, um sich darüber klarzuwerden, dass es hier nicht mehr um eine Kinderüberraschung ging«, meinte Yvonne.
    »Ja, so langsam dämmerte mir das«, gestand Perry und hielt einen Moment inne, um das Jaulen eines Martinshorns oben auf der Straße verklingen zu lassen. »Sie müssen sich klarmachen, was für ein Lärm uns da drin plötzlich umtoste«, betonte er, als hätte ein Geräusch das andere ausgelöst. »Wir standen in diesem winzig kleinen Flur, aber wir konnten den Wind um das ganze klapperige Haus heulen hören. Und das Licht war – nun ja, phantasmagorisch, um einen Lieblingsausdruck meiner Studenten zu benutzen. Es fiel sozusagen in Schichten durch das Westfenster herein. Einmal dieses zerfaserte Licht aus der niedrigen Wolkenbank, die sich vom Meer her heranschob, und ganz

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