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Verr�ter wie wir

Titel: Verr�ter wie wir Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: John le Carr�
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so witzig. Wir spielten mit dem Gedanken, uns als karibische Piraten zu verkleiden – du jedenfalls –, aber das schien uns dann doch etwas übertrieben, zumal die Familie ja noch in Trauer war, auch wenn wir das offiziell nicht wussten. Also gingen wir so, wie wir waren, nur ein klein bisschen feingemacht. Perry in seinem alten Blazer und den grauen Hosen, die er für den Flug angehabt hatte. Seiner Brideshead-Kluft. Mode ist nicht so ganz Perrys Ding, aber er hat sein Bestes getan. Plus natürlich die Badehose. Und ich zog mir ein Baumwollkleid über den Badeanzug und dazu eine Strickjacke, falls es frisch würde, denn wir wussten, dass Three Chimneys einen Privatstrand hat, und dachten, dass vielleicht geschwommen würde.«
    Yvonne schreibt einen säuberlichen Vermerk. Für wen? Luke, Kinn in die Hand gestützt, trinkt Gails Worte in sich hinein, ein wenig arg tief, findet sie. Perry fixiert düster ein Fleckchen Mauerwerk an der dunklen Ziegelwand. Ungeteilte Aufmerksamkeit allerorten für Gails Schwanengesang.
    * * *
    Ambrose hatte sie beide für sechs Uhr an den Hoteleingang beordert, fuhr Gail in gemäßigterem Ton fort – auf dass sie in einem der Minivans mit den getönten Scheiben nach Three Chimneys expediert und dort durch eine Seitentür ins Haus eingeschleust würden, dachten sie. Fälschlich, wie sich zeigte.
    Stattdessen wurden sie auf einem Umweg zum Parkplatz dirigiert. Dort wartete Ambrose am Steuer eines Geländewagens. Der Plan, so erklärte er ihnen in aufgeregtemVerschwörerton, war es, die Überraschungsgäste über den alten Naturpfad, der über den Grat der Halbinsel führte, direkt zur Hintertür von Three Chimneys zu schaffen, wo Mr Dima sie persönlich in Empfang nehmen würde.
    Sie redete wieder als Ambrose:
    »Die haben eine Steelband da, und Lichterketten im Garten, und eine Ladung vom zartesten Kobefleisch, das je aus einer Kuh gekommen ist. Die haben echt alles, ich sag’s euch. Und Mr Dima, der hat die Sache bis aufs i-Tüpfelchen durchdacht und geplant. Hat meine Elspeth mit der ganzen Rasselbande zu einem Krabbenrennen auf der anderen Seite von St. John’s verfrachtet, nur dass wir die jungen Herrschaften durch die Hintertür hereinschmuggeln können, so hochgeheim ist das mit euch heute Abend!«
    Wenn sie auf ein Abenteuer aus gewesen wären, so hätte schon allein der Naturpfad ausgereicht. Es musste buchstäblich Jahre her sein, dass ihn das letzte Mal jemand benutzt hatte. Zwischendurch musste Perry ihnen allen Ernstes einen Weg durch das Dickicht bahnen.
    »Was er natürlich großartig fand. Er hätte als Bauer mit der Machete zur Welt kommen sollen, stimmt’s, Perry? Und dann tauchten wir aus diesem endlosen grünen Tunnel auf, und vor uns stand Dima wie ein glückstrahlender Minotaurus. Falls es so etwas gibt.«
    Perrys knochiger Zeigefinger hob sich mahnend.
    »Es war das erste Mal, dass wir Dima allein zu Gesicht bekamen«, gab er zu bedenken. »Keine Leibwächter, keine Familie. Keine Kinder. Niemand, der ein Auge auf uns hatte. Zumindest nicht sichtbar. Wir standen zu dritt am Rande eines Urwalds. Ich glaube, wir empfanden das beide sehr stark. Diese plötzliche Ausschließlichkeit.«
    Doch Perrys bedeutungsschwangerer Einwurf ging unter in Gails sprudelndem Erzählschwall.
    »Erhat uns umarmt, Yvonne. Aber richtig. Erst Perry, dann hat er ihn zur Seite gestoßen, um mich zu umarmen, dann war wieder Perry an der Reihe. Keine Anmache. Eher väterlich-überschwänglich. Als hätte er uns eine Ewigkeit nicht gesehen. Oder würde uns nie wiedersehen.«
    »Oder er war verzweifelt«, stellte Perry in demselben gewichtig-nachdenklichen Ton wie vorher in den Raum. »Ein bisschen war das mein Eindruck. Deiner vielleicht nicht so. Wie viel wir ihm in diesem Moment bedeuteten. Welche Schlüsselstellung wir hatten.«
    »Er liebte uns«, fuhr Gail vollmundig fort. »Er stand da und erklärte uns seine Liebe. Auch Tamara liebt uns, versicherte er. Sie kann es nur nicht richtig zum Ausdruck bringen, weil sie seit ihrem Problem ein bisschen verrückt ist. Nichts darüber, worin ihr Problem bestehen könnte, und fragen konnten wir ja schlecht. Natascha liebt uns auch, sagte er, nur sagt sie dieser Tage zu gar niemandem etwas, sie liest nur Bücher. Die ganze Familie liebt uns Engländer, wegen unserer Menschlichkeit und unserem Fairplay. Wobei er nicht Menschlichkeit sagte – was sagte er gleich wieder?«
    »Herz.«
    »Wir standen also am Ende des Tunnels und ließen diese

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