Verr�ter wie wir
ein Spielzeugerker aus Holz und Glas, wo der Wind an den Schalbrettern rüttelte und die Fenster kreischten und ächzten.
»Es war bestimmt der lauteste Platz im Haus. Deshalb hatte er ihn wohl auch ausgesucht. Ich kann mir nicht vorstellen, dass irgendein Mikrophon auf der Welt uns in diesem Radau hätte hören können.« Und in dem rätselnden Ton eines Mannes, der einen Traum schildert: »Es war ein unheimlich redseliges Haus. Drei Schornsteine und drei Winde. Und diese Schuhschachtel, in der wir saßen, Kopf an Kopf.«
DimasGesicht keine Handbreit von meinem weg, wiederholt er und beugt sich über den Tisch zu Hector vor, um ihm zu zeigen, wie nah.
»Eine Ewigkeit saßen wir nur da und starrten uns an. Ich glaube, ihn packten Zweifel. An ihm. An mir. Daran, dass er es durchziehen konnte. Dass er den richtigen Mann gefunden hatte. Und ich wollte unbedingt dieser Mann sein, lässt sich das irgendwie nachvollziehen?«
Für Hector überhaupt kein Problem.
»Er versuchte einen ungeheuren Widerstand in seinem Kopf zu überwinden, was bei einer Beichte wahrscheinlich gar nicht anders geht. Dann schließlich bellte er eine Frage hervor, die allerdings mehr wie ein Befehl klang: ›Sie sind Spion, Professor? Englischer Spion?‹ Ich hielt es zunächst für eine Anschuldigung. Dann wurde mir klar, dass er erwartete, nein, hoffte , ich würde ja sagen. Also sagte ich, nein, tut mir leid, ich bin kein Spion, war nie einer und werde auch nie einer sein. Ich bin nur ein Lehrer, mehr nicht. Aber damit gab er sich nicht zufrieden:
›Viele Engländer sind Spion. Lords. Feine Herren. Intellektuelle Herren. Ich weiß das! Ihr seid Fairplay-Menschen. Ihr seid Land mit Gesetz. Ihr habt gute Spione.‹
Ich musste es noch einmal wiederholen, nein, Dima, ich bin kein – haben Sie gehört, kein – Spion. Ich bin Ihr Tennispartner und ein Collegedozent, der sich neu orientieren will. Ich hätte empört sein sollen. Aber was bedeutete das schon, hätte? Ich war in einer neuen Welt.«
»Und schwerst fasziniert davon, stimmt’s?«, wirft Hector ein. »Mann, wär ich gern an Ihrer Stelle gewesen! Ich hätte mich sogar auf einen verfluchten Tennisplatz gestellt!«
Schwerst fasziniert, allerdings, gibt Perry zu. Er konnte den Blick nicht von Dima wenden. Er musste ihn anstarren, selbst in dem Halbdunkel. Und ihm zuhören, Wind hin oder her.
* * *
Obhart, weich oder mittel, Hectors Frage kam in einem so lockeren, gütigen Ton daher, dass sie wunderbar trostreich klang.
»Und bei all Ihren wohlbegründeten Vorbehalten gegen uns hätten Sie sich in diesem Moment fast gewünscht, ein Spion zu sein, hab ich recht?«, sagte er.
Perry runzelte die Stirn, kratzte sich unbeholfen den Lockenschopf und fand nicht gleich eine Antwort.
* * *
»Sie kennen Guantánamo, Professor?«
Und ob Perry Guantánamo kennt. Er hat auf alle Arten gegen Guantánamo protestiert, auf die ein Mensch nur protestieren kann. Aber was will Dima ihm hier sagen? Warum ist Guantánamo plötzlich so sehr wichtig, sehr dringend, sehr kritisch für Großbritannien – um Tamaras schriftlichen Appell zu zitieren?
»Sie kennen Geheimflugzeuge, Professor? Diese Drecksflieger, die die CIA mietet, dass sie Terroristen fliegen von Kabul nach Guantánamo?«
Ja, Perry weiß Bescheid über diese Geheimflugzeuge. Er hat einen ganzen Batzen Geld an einen gemeinnützigen Verein überwiesen, der die dazugehörigen Muttergesellschaften wegen Menschenrechtsverletzung zu verklagen gedenkt.
»Kuba nach Kabul, diese Flieger sind ohne Fracht, okay? Und warum? Weil kein gottverdammter Terrorist Guantánamo – Afghanistan fliegt. Aber ich habe Freunde .«
Das Wort Freunde scheint ihm Sorgen zu bereiten. Er wiederholt es, bricht ab, murmelt etwas auf Russisch und kippt einen Wodka, bevor er weiterspricht.
»Meine Freunde , sie reden mit diese Piloten, machen Deal, ganz heimlichen Deal, kriegt kein Schwein davon Wind, okay?«
Okay. Kein Schwein kriegt Wind davon.
»Undwas haben sie drin in diese leere Flieger, Professor? Nix mit Zoll, einfach Ladung rein und zu Käufer, Guantánamo – Kabul, Cash vorweg?«
Nein, Perry kann sich nicht denken, welche Fracht sie wohl geladen haben, diese Maschinen unterwegs von Guantánamo nach Kabul, Cash vorweg.
»Hummer, Professor!« – er klatscht sich die dicken Schenkel, und ein wildes Gelächter schüttelt ihn. »Viel tausend gottverdammte Hummer von Bucht von Mexiko! Wer kauft gottverdammte Hummer? Verrückte Warlords. Von Warlords, CIA
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