Verr�ter wie wir
lässige Nähe, sprach Perry rasch und mit Nachdruck, nicht in die leere Luft über den Köpfen seiner Zuhörer, wo Akademiker traditionsgemäß Zuflucht suchen, sondern mitten hinein in Hectors Adlerblick– und halb auch zu dem schmucken Luke, der in Habtachthaltung an Hectors Seite saß.
Nun da ihn keine Gail mehr zurückhielt, konnte sich Perry ihnen beiden ungehemmt anvertrauen. Er legte ihnen die Beichte ab, so wie Dima ihm gebeichtet hatte: von Mann zu Mann und von Angesicht zu Angesicht. Er ließ sich mitreißen vom Sog dieses Beichtens. Er gab den Dialog mit der Akkuratesse wieder, mit der er jegliche Texte wiedergab, gute wie schlechte, ohne abzusetzen oder sich zu verbessern.
Zu schauspielerischen Höhenflügen, wie Gail sie so liebte, fehlte ihm die Begabung, oder ein falscher Stolz verbot sie ihm. Aber in der Erinnerung hörte er wieder Dimas klumpige Aussprache, und vor seinem inneren Auge sah er das schweißüberströmte Gesicht so nahe an seinem, dass sie fast mit den Stirnen zusammenstießen. Er roch beim Erzählen den Wodkadunst in Dimas keuchenden Atemstößen. Er sah ihn sein Glas nachfüllen, finster darauf hinabstieren, dann zupacken und es in einem Zug herunterstürzen. Er spürte erneut dieses ungewollte Band zwischen ihnen entstehen, die schnelle und unerlässliche Kameradschaft zweier Männer in Bergnot.
»Aber nicht stinkbesoffen , würden Sie sagen?«, erkundigte sich Hector und nippte an seinem Malt. »Eher ein Geselligkeitstrinker, der ein bisschen in Fahrt kommt?«
Genau, bestätigte Perry. Nicht konfus, nicht rührselig, nicht lallend – einfach in seinem Element .
»Wenn wir am nächsten Tag zum Tennis verabredet gewesen wären, hätte er wahrscheinlich so gespielt wie immer. Er hat einen riesigen Motor, und der läuft mit Alkohol. Darauf ist er stolz.«
Es klang so, als wäre Perry ebenfalls stolz darauf.
»Oder um ein Zitat des Meisters zu verfälschen« – auch die Liebe zu P. G. Wodehouse hatten sie also gemeinsam –, »einZeitgenosse, der ein paar Gläschen unter seinem Normalpegel zur Welt gekommen ist?«
»Exakt, Bertie«, stimmte Perry in seinem besten Wodehouse-isch zu, und sie schoben ein kurzes Gelächter ein, sekundiert von Zweitligist Luke, der mit Hectors Ankunft ansonsten die Schweigerolle übernommen hatte.
* * *
»Darf ich kurz mal eine Frage betreffs der unantastbaren Gail einwerfen?«, wollte Hector wissen. »Keine harte. Eine mittelweiche.«
Hart, mittelweich – Perry war auf der Hut.
»Als ihr zwei aus Antigua nach England zurückkamt«, begann Hector – »nach Gatwick, richtig?«
Goldrichtig, versicherte ihm Perry.
»Da habt ihr ja getrennte Wege eingeschlagen. Nicht wahr? Gail zu ihren Anwaltspflichten und ihrer Wohnung in Primrose Hill, Sie nach Oxford, um daselbst Ihre unsterbliche Prosa abzufassen.«
Ebenfalls richtig, gab Perry zu.
»Was für einen Deal hattet ihr denn da miteinander vereinbart – Übereinkunft ist vielleicht das nettere Wort –, was das weitere Vorgehen betraf?«
»Vorgehen in Bezug worauf?«
»Nun ja, letztlich auf uns.«
Da er unsicher war, worauf die Frage abzielte, zögerte Perry. »Es gab keine Übereinkunft in dem Sinn«, antwortete er vorsichtig. »Keine ausdrückliche. Gail hatte ihren Beitrag geleistet. Damit war die Reihe an mir.«
»An euren getrennten Standorten.«
»Ja.«
»Ohne miteinander zu kommunizieren.«
»Wir haben kommuniziert. Nur nicht über die Dimas.«
»Und der Grund dafür war …?«
»Gailwusste nicht, was ich in Three Chimneys erfahren hatte.«
»Und war folglich noch in Arkadien?«
»Mehr oder weniger. Ja.«
»Wo sie, nach Ihrem Kenntnisstand zumindest, auch bleibt. Solange es in Ihrer Macht steht.«
»Ja.«
»Tut es Ihnen leid, dass Sie sie heute Abend hierher mitgebracht haben?«
»Sie hatten gesagt, Sie brauchen uns beide. Ich habe ihr gesagt, Sie brauchen uns beide. Sie hat sich bereit erklärt mitzukommen«, erwiderte Perry unwirsch.
»Aber sie wollte es im Zweifelsfall ja auch, oder? Sonst hätte sie sich geweigert. Sie hat ihren eigenen Kopf. Sie ist keine Frau, die blind gehorcht.«
»Nein. Ganz bestimmt nicht«, gestand Perry ein und wurde mit Hectors liebreichem Lächeln belohnt.
* * *
Perry beschreibt das winzige Kabuff, in das Dima ihn für ihre Besprechung geschleppt hat: Ein Krähennest nennt er es, zwei mal drei Meter höchstens, zu erreichen über eine Schiffstreppe, die von einer Ecke des Esszimmers weggeht; ein schiefes Trapez mit Blick auf die Bucht,
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