Verr�ter wie wir
sie mit einer krampfigen Fröhlichkeit, die der Nervosität entsprang, hatten ein paar Nummern größer zu sein. Die tadellose Haltung, der smarte graue Anzug, die kleinen grauenHörnchen, zu denen sein Haar sich über den Ohren hochzwirbelte, das alles passte entschieden besser zu einem distinguierten Jockey als zu einem Spion.
Yvonne dagegen konnte nicht viel älter als Gail sein. Ein Blaustrumpf, das war Gails erster Eindruck von ihr, aber dabei auf streberhafte Art hübsch. Mit ihrem biederen Kostüm, kurzgeschnittenen dunklen Haar und ungeschminkten Gesicht schien sie älter als nötig und für eine Spionin – auch dies wieder Gails bewusst leichtfertige Perspektive – nicht Femme fatale genug.
»Sie haben sie da also noch gar nicht als Leibwächter erkannt.« Lukes adretter kleiner Kopf sah emsig zwischen ihnen beiden hin und her. »Sie haben nicht hinterher im stillen Kämmerlein zueinander gesagt: ›Hoppla, dieser Dima, wer immer er sein mag, scheint ja bestens bewacht zu sein‹ – irgendetwas dergleichen?«
Reden Perry und ich so miteinander?, dachte Gail. Ist mir neu.
»Gesehen habe ich sie, sicher«, gab Perry zu. »Aber wenn Ihre Frage ist, ob ich über sie nachgedacht habe, kann ich nur sagen, nein. Da hoffen zwei auf ein Spiel, dachte ich wahrscheinlich, wenn ich überhaupt etwas gedacht habe« – und indem er mit den langen Fingern grüblerisch an seiner Stirn herumknetete: »Ich meine, man assoziiert ja nicht sofort Leibwächter , oder? Gut, Sie vielleicht schon. Das ist die Welt, in der Sie leben, nehme ich an. Aber als normaler Bürger kommt man nicht auf die Idee.«
»Und Sie, Gail?«, hakte Luke flugs ein. »Sie sind den ganzen Tag bei Gericht. Sie erleben die böse Welt in all ihrer blut’gen Pracht. Kamen sie Ihnen verdächtig vor?«
»Wenn überhaupt, dann dachte ich sicher, es sind zwei Typen, die mich anglotzen, also habe ich sie ignoriert«, sagte Gail.
Doch Yvonne, Streberin, die sie war, ließ sich damit nicht abspeisen. »Aber am Abend, Gail, beim Zurückschauenauf den Tag« – war das ein schottischer Zungenschlag, den man da heraushörte? Gut möglich, dachte Gail, die sich einiges auf ihr Ohr für Akzente zugutehielt –, »erschien es Ihnen da immer noch nicht seltsam: zwei überzählige Männer, die einfach nutzlos herumstanden?«
»Es war unser erster richtiger Abend im Hotel«, sagte Gail in einem Aufwallen entnervter Gereiztheit. »Perry hatte uns ein Candle-Light-Dinner auf dem Captain’s Deck gebucht, verstehen Sie? Wir hatten Sterne und Vollmond, kopulierende Ochsenfrösche brüllten sich die Seele aus dem Leib, die Mondbahn reichte uns praktisch bis auf den Teller – glauben Sie im Ernst, da blicken wir uns tief in die Augen und reden über Dimas Aufpasser? Ich meine, sonst noch Wünsche!« – und aus Angst, rüder geklungen zu haben als beabsichtigt: »Gut, sicher, ein bisschen haben wir natürlich über Dima geredet. Er ist ja nicht gerade eine Durchschnittserscheinung. Und unser erster russischer Oligarch, ich bitte Sie! Außerdem streute sich Perry zwischendurch immer wieder Asche aufs Haupt, weil er sich auf ein Einzel mit ihm eingelassen hatte, und wollte unbedingt den Pro anrufen und das Match abblasen. Ich habe ihm gesagt, dass ich mit Männern wie Dima getanzt habe und sie eine unvergleichliche Technik haben. Da fiel dir nichts mehr ein, was, Perry-Schatz?«
Die Kluft, die sie trennte, schien so breit wie der Atlantik, den sie vor kurzem überquert hatten. Dennoch war es ihnen auch eine Erleichterung, allen beiden, ihre Geschichte an jemanden loszuwerden, für den das Weiterfragen zum Beruf gehörte.
* * *
Um Viertel vor sieben am nächsten Morgen erwartete Mark sie oben an der Steintreppe, in sein schönstes Weiß gekleidet,in den Händen zwei Dosen kühlschrankkalter Tennisbälle und einen Pappbecher Kaffee.
»Mann, hatte ich einen Bammel, ihr zwei Hübschen könntet verschlafen«, begrüßte er sie aufgekratzt. »Aber wir sind gut in der Zeit, alles astrein. Gail, wie fühlen Sie sich heute? Prächtig, nach allem, was man sieht. Nach Ihnen, Perry, Sir. Ich danke. Was für ein Tag, hm? Was für ein Tag.«
Perry ging ihnen voran die zweite Treppe hinauf, an deren Ende der Weg eine Linkskurve machte. Als er ihr folgte, standen vor ihm zwei Männer in Bomberjacken – dieselben beiden untätigen Männer vom Vorabend. Sie hatten sich links und rechts von dem blütenbedeckten Laubengang postiert, der wie ein Hochzeitsspalier auf den Eingang zum
Weitere Kostenlose Bücher