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Verr�ter wie wir

Titel: Verr�ter wie wir Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: John le Carr�
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fette Frühstücksbüfett plündern gehen, für das wir bezahlen?«
    »Gute Idee«, sagte Gail mit Nachdruck. »Mir war gar nicht klar, dass ich so einen Bärenhunger habe.«
    Und sie drehten sich um und stiegen, ohne sich um die Beschwörungendes Pros zu kümmern, schon die ersten Stufen hinab, als das Tor zum Centre-Court aufflog und Dimas Bass sie innehalten ließ.
    »Nicht weglaufen, Mr Perry Makepiece. Wenn Sie mich wegballern, dann mit gottverdammten Schläger, okay?«
    * * *
    »Und auf wie alt würden Sie ihn schätzen, Gail?«, fragte Miss Blaustrumpf und machte sich eine säuberliche Notiz in ihrem Block.
    »Den Milchbubi? Fünfundzwanzig, wenn’s hoch kommt«, antwortete Gail und wünschte sich zum wiederholten Mal, einen Mittelkurs zwischen Flapsigkeit und Verschrecktheit fahren zu können.
    »Perry? Wie alt?«
    »Dreißig.«
    »Größe?«
    »Unterm Durchschnitt.«
    Für jemanden, der fast eins neunzig ist, Perry-Schatz, sind wir alle unterm Durchschnitt, dachte Gail.
    »Eins fünfundsiebzig«, sagte sie.
    Das blonde Haar ganz kurz geschoren, darin waren sie sich einig.
    »Und ein goldenes Kettenarmband hatte er an«, erinnerte sie sich zu ihrer eigenen Verblüffung. »Ich hatte einmal einen Mandanten, der hatte genauso eins. Wenn’s mal hart auf hart ging, wollte er es auseinandernehmen und die Glieder einzeln verkaufen.«
    * * *
    Yvonnes unlackierte, vernünftig geschnittene Fingernägel schieben ihnen einen Stoß Pressephotos über den ovalen Tisch. Im Vordergrund ein halbes Dutzend strammer jungerMänner in Armani-Anzügen, die ein siegreiches Rennpferd beglückwünschen, ihre Champagnergläser hoch erhoben für die Kamera. Im Hintergrund Werbebanner auf Kyrillisch und Englisch. Und ganz links außen, die Arme vor der Brust verschränkt, der milchgesichtige Leibwächter mit seiner blonden Stoppelfrisur. Anders als seine drei Gefährten trägt er keine Sonnenbrille. Dafür liegt um sein linkes Handgelenk ein goldenes Kettenarmband.
    Perry schaut eine Spur selbstgefällig. Gail ist es eine Spur schlecht.

2
    Gail verstand selbst nicht ganz, warum fast immer nur sie redete. Im Sprechen hörte sie ihre eigene Stimme von den Ziegelwänden des Kellerzimmers widerhallen, genau wie beim Scheidungsgericht, wo sie derzeit den Großteil ihres beruflichen Daseins verbrachte: Jetzt mime ich rechtschaffene Empörung, jetzt ätzende Ungläubigkeit, jetzt klinge ich wie meine bescheuerte Mutter, wenn sie ihren zweiten Gin Tonic intus hatte.
    Aber sosehr sie es zu verbergen suchte, ertappte sie sich heute obendrein bei einem gelegentlichen kleinen Schauer der Furcht, der nicht zum Skript gehörte. Ihren Zuhörern auf der anderen Seite des Tisches mochte es entgehen, aber ihr nicht. Und Perry neben ihr merkte es offenbar auch, denn ab und zu neigte er den Kopf leicht in ihre Richtung, um zärtlich und besorgt zu ihr herunterzuspähen, trotz der Dreitausend-Meilen-Kluft zwischen ihnen. Ja, vereinzelt drückte er sogar unterm Tisch ihre Hand, bevor er sie beim Erzählen ablöste, in dem verfehlten, aber entschuldbaren Glauben, ihren Gefühlen dadurch eine Ruhepause zu verschaffen, wo doch ihre Gefühle als Einziges abtauchten, sich neu formierten und an die Oberfläche zurückkamen, um sich bei erster Gelegenheit noch verbissener in den Kampf zu stürzen.
    * * *
    Perryund Gail schlenderten nicht direkt, als sie den Centre-Court betraten, aber – doch, ja, sagten beide, sie ließen sich Zeit. Als Erstes der Weg durch das Blütenspalier, bei dem die Leibwächter die Ehrengarde abgaben und Gail die Krempe ihres breiten Sonnenhutes festhielt und ihr dünnes Röckchen flattern ließ:
    »Ein bisschen die Hüften geschwenkt hab ich schon«, gab sie zu.
    »Und wie«, bestätigte Perry, und auf der anderen Tischseite wurde verhalten gelächelt.
    Dann das Hin und Her am Eingang zum Platz, als Perry von erneuten Zweifeln befallen schien, bis klarwurde, dass er nur Gail den Vortritt lassen wollte. Die darauf auch vorging, mit so viel damenhafter Gemessenheit, dass man meinen konnte, es hätte den versuchten Affront nie gegeben, während gleichzeitig durchschimmerte, dass er keineswegs vergessen war. Und hinter Perry kam Mark.
    Dima erwartete sie in der Platzmitte, die Arme zur Begrüßung weit ausgestreckt. Er trug einen langärmligen blauen Nicki mit rundem Ausschnitt und schwarze Shorts, die ihm bis übers Knie reichten. Ein grünes Sonnenvisier ragte wie ein Schnabel von seinem kahlen Kopf weg, der schon jetzt so stark in der

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