Verr�ter wie wir
dachte Luke, als Hector die »Play«-Taste an dem Kassettenrecorder drückte. Jeder Streit ist die Neuauflage von einem, den sie irgendwann schon mal hatten.
* * *
In Lukes Kopf setzte schon der bloße Klang von Dimas Stimme einen Farbfilm in Gang. Bei jedem Abhören der Kassette, die Perry in seiner Unschuld im Rasierzeug geschmuggelt hatte, stellte sich vor seinem inneren Auge das gleiche Bild ein: Dima, der im Dickicht von Three Chimneys kauerte, ein Diktiergerät in der verblüffend zierlichen Hand, weit genug weg vom Haus, um Tamaras echten oder eingebildeten Mikrophonen zu entgehen, aber nah genug, um zurückzuhasten, wenn sie ihn mit gellender Stimme ans Telefon beorderte.
Er hörte die drei Winde um Dimas glänzend kahlen Schädel fauchen. Er sah die Baumkronen über ihm hin und her schwanken. Er hörte Blätterknattern und ein Gurgeln von Wasser, und er wusste, es war derselbe tropische Regen, der ihn im kolumbianischen Urwald durchweicht hatte. Hatte Dima sein Band in einem Sitz besprochen oder in mehreren Anläufen? Hatte er zwischendurch ein paar Wodkas einschieben müssen, um seine Wory-Skrupel wegzuspülen? Jetzt schaltet die belfernde Stimme von Russisch zu Englisch um, vielleicht zur Erinnerung daran, wer seine Beichtiger sind. Jetzt appelliert er an Perry. Jetzt an einen ganzen Haufen Perrys:
»Ihrseid englische Gentlemen! Bitte! Ihr macht Fairplay, ihr habt Land von Recht und Gesetz. Ihr seid rein! Ich vertraue euch. Ihr müsst Dima auch vertrauen!«
Dann wieder weiter auf Russisch, aber jetzt grammatikalisch so überkorrekt, so gestelzt und geschniegelt, als versuchte Dima seinen Kolyma-Hautgout abzustreifen, sich salonfähig zu machen für die baldige Tuchfühlung mit den feinen Herrschaften in Ascot:
»Der Mann, den sie Dima nennen, führender Geldwäscher der Sieben Brüder und finanzielles Superhirn des entarteten Usurpators, der sich der Prinz nennt, entbietet dem berühmten britischen Geheimdienst seine besten Empfehlungen und unterbreitet folgendes Angebot wertvoller Informationen im Austausch für verlässliche Zusicherungen seitens der britischen Regierung. Beispiel .«
Dann sprechen nur die Winde, während sich Dima mit einem riesigen seidenen Taschentuch – Lukes eigene Hinzufügung, aber Perry hat wiederholt von einem Taschentuch gesprochen – Schweiß und Tränen abwischt, ehe er den nächsten Zug aus seiner Flasche nimmt und voranschreitet zu dem endgültigen, unumkehrbaren Akt des Verrats.
»Beispiel. Transaktionen der dem Prinzen unterstehenden kriminellen Organisation, die derzeit als die Sieben Brüder bekannt ist, beinhalten:
Eins: Import und Umetikettierung von Öl aus Embargostaaten im Nahen Osten. Ich weiß Bescheid über diese Geschäfte. Viele korrupte Italiener und viele britische Anwälte sind daran beteiligt.
Zwei: Einschleusung von Schwarzgeldern in Milliarden-Dollar-Höhe bei Ölimporten und Steuerzahlungen. Der Spezialistdafür bei allen sieben Wory-Bruderschaften war mein Freund Michail, genannt Mischa. Zu diesem Zweck lebte er auch in Rom.«
Neuerlicher Bruch in der Stimme, vielleicht noch ein schweigender Toast auf den seligen Mischa, dann geht es überschwänglich weiter in gebrochenem Englisch:
»Beispiel drei: Schwarzfällen, Afrika. Erst wir machen aus schwarzem Holz weißes Holz. Dann wir machen aus schwarzem Geld weißes! Ist normal. Ist leicht. Viel viele russische Kriminelle in Tropisch-Afrika. Auch schwarze Diamanten sehr interessanter neuer Markt für Bruderschaften.«
Und immer noch auf Englisch:
»Beispiel vier: Falsche Medizin, gemacht in Indien. Sehr schlecht, heilt nicht, muss man brechen, manche sterben auch. Offiziell russischer Staat hat sehr interessante Beziehungen mit offiziell indischer Staat. Auch sehr interessante Beziehungen von indischen mit russischen Bruderschaften. Der Mann, den sie Dima nennen, weiß viele interessante Namen, auch englische, zu diesen vertikalen Verbindungen und zu privaten finanziellen Abkommen mit Banken in der Schweiz.«
Luke der Bedenkenträger durchleidet stellvertretend für Hector die Selbstzweifel des Impresarios.
»Ist die Lautstärke gut so, Billy?«, fragt Hector und hält das Band an.
»Die Lautstärke ist wunderbar, danke«, sagt Matlock mit gerade genug Betonung auf Lautstärke , um durchblicken zu lassen, dass das für den Inhalt nicht unbedingt gilt.
»Dannweiter im Text«, sagt Hector ein wenig zu sanftmütig für Lukes Geschmack, während Dima dankbar ins Russische
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