Bücher online kostenlos Kostenlos Online Lesen

Verr�ter wie wir

Titel: Verr�ter wie wir Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: John le Carr�
Vom Netzwerk:
genauestens vor sich. Stundenlang saßen sie Seite an Seite vor Yvonnes Bildschirm oder brüteten über ihrem Tate-Modern-Wandgemälde, so nah, dass einer die Körperwärme des anderen spürte und ihre Hände sich streiften. Sie teilten sämtliche Berg- und Talfahrten ihrer Jagd, jede falsche Fährte, jede Sackgasse und jeden kurzzeitigen Triumph, dicht an dicht im Schlafzimmer eines Hauses, von dem niemand wusste und das sie den größten Teil des Tages für sich hatten.
    Aber nichts geschah – bis sie eines Abends erschöpft zu zweit am Küchentisch saßen, vor sich eine Tasse von OlliesSuppe und, auf Lukes Vorschlag hin, einen Schuss von Hectors Islay Malt. Da verblüffte Luke sich selber, indem er Yvonne auf den Kopf zu fragte, was für ein Leben sie denn abgesehen von diesem hier führte und ob sie es mit jemandem teilte, der ihr bei ihrer aufreibenden Plackerei eine Stütze war – um dann mit einem kleinen, schmerzlichen Lächeln, für das er sich gleich darauf schämte, hinzuzufügen, dass es schließlich nur unsere Antworten seien, die uns gefährlich werden könnten, nicht die Fragen, wenn sie wisse, was er meine?
    Eine lange Zeit ließ ihre gefährliche Antwort auf sich warten.
    »Ich bin Regierungsangestellte«, sagte sie dann in dem roboterhaften Ton eines Menschen, der bei einer Quizsendung in die Kamera spricht. »Yvonne ist nicht mein richtiger Name. Wo ich arbeite, geht Sie nichts an. Aber das war wohl auch nicht Ihre Frage. Ich bin eine Entdeckung von Hector, das sind wir vermutlich beide. Aber ich glaube, danach haben Sie mich auch nicht gefragt. Wonach Sie fragen, das ist meine sexuelle Ausrichtung. Und in der Erweiterung, ob ich mit Ihnen ins Bett gehen möchte.«
    »Yvonne, ich habe Sie nichts dergleichen gefragt!«, protestierte Luke unwahrheitsgemäß.
    »Also zu Ihrer Information: Ich bin mit einem Mann verheiratet, den ich liebe, wir haben eine dreijährige Tochter, und ich habe keine Affären, nicht mal mit so jemand Nettem wie Ihnen. Also essen wir schön unsere Suppe auf, bevor sie kalt wird, ja?«, schlug sie vor – worauf sie wundersamerweise beide in ein lautes Gelächter ausbrachen, das die Luft zwischen ihnen reinigte, und danach friedlich in ihre getrennten Ecken zurückkehrten.
    * * *
    UndHector, wer war er, nach den drei Monaten, die sie ihn nun erlebten, wenn auch nur in sporadischen Blitzauftritten – Hector mit dem Fanatikerblick und den Fäkaltiraden gegen die Finanzhaie, die die Wurzel allen Übels waren? Beim Geheimdienst munkelte man, dass Hector die Rettung seiner Familienfirma Methoden verdanke, die nur ein halbes Leben im Dienst der Schwarzen Kunst hervorbringen konnte und die selbst nach den bodenlos niedrigen Moralmaßstäben der Londoner City als verwerflich galten. War also sein Krieg gegen die City-Mafia der Rachsucht geschuldet – oder dem schlechten Gewissen? Ollie, normalerweise kein Freund von Klatsch und Tratsch, hatte da keinerlei Zweifel: Hectors Bekanntschaft mit den Abgefeimtheiten der City – und das Spiel, das er selbst damit getrieben hatte, so Ollie – hätten ihn über Nacht zum Racheengel werden lassen. »Das ist so ein kleiner Eid, den er sich geschworen hat«, verriet er ihnen in der Küche, als sie auf eine von Hectors spätabendlichen Stippvisiten warteten. »Er muss die Welt retten, bevor er abtritt, und wenn er dabei draufgeht.«
    * * *
    Aber schließlich war Luke zeitlebens ein Bedenkenträger gewesen. Seit seiner Kindheit schon sorgte er sich wegen allem und jedem, ähnlich wahllos, wie er sich verliebte.
    Er sorgte sich wegen einer Armbanduhr, die zehn Sekunden vor- oder nachging, genauso wie um die Zukunft einer Ehe, die nirgends mehr existent schien als in der Küche.
    Er sorgte sich, ob hinter Bens Wutausbrüchen nicht vielleicht doch mehr steckte als die Vorpubertät und ob ihm seine Mutter am Ende verbot, seinen Vater zu lieben.
    Er sorgte sich um sich selbst, weil er nur bei der Arbeit imFrieden mit sich war und zu jeder anderen Zeit, auch jetzt bei seinem Fußmarsch, mit sich zerfallen.
    Er sorgte sich, ob er nicht doch seinen Stolz hätte hinunterschlucken und sich von der Pique Dame zum Therapeuten schicken lassen sollen.
    Er sorgte sich um Gail, die ein solches Verlangen in ihm auslöste – nach ihr oder irgendeiner Frau wie ihr, mit einem echten Leuchten im Gesicht und nicht dieser Düsterkeit, die immer über Eloise lag, sogar wenn die Sonne auf sie schien.
    Er sorgte sich um Perry und versuchte, seinen Neid auf ihn zu

Weitere Kostenlose Bücher