Verruchte Begierde: Roman (German Edition)
mit rötlichem Gesicht, der sie wie ein Leibwächter gegen ihre Umwelt abzuschirmen schien.
Das Erscheinen des Richters wurde angekündigt, die Anwesenden zur Ordnung gerufen, und Hunter nahm die Arbeit auf. Er hatte in den letzten Tagen zahllose Beweise gegen die Angeklagten zusammengetragen und rief jetzt die nächsten beiden Zeugen auf. Die Aussagen waren kurz und wiederholten nur, was schon von anderen Zeugen vorgetragen worden war. Auch das Kreuzverhör war sterbenslangweilig.
Als nächste Zeugin käme Kari Stewart Wynne.
Er blickte grübelnd auf den Namen, der auf seiner Liste stand. Ja oder nein? Riefe er sie doch nicht in den Zeugenstand, hätte er vielleicht die Chance, ihr Vertrauen zu gewinnen, danach ihre Freundschaft und am Ende … ja, vielleicht, doch ihm war klar, dass das ein Wunschtraum war.
Riefe er sie aber auf, würden seine Chancen auf eine Vertiefung der Beziehung ein für alle Mal zerstört.
Doch es war seine Pflicht, der Gerechtigkeit zu dienen.
Und es war schließlich nicht seine Schuld, dass ihr Mann ein Schuft gewesen war. Wenn er nicht tat, was er tun sollte, machte er sich dann nicht genauso einer Pflichtverletzung schuldig wie die beiden Angeklagten vorne auf der Bank?
»Euer Ehren, ich rufe Mrs Kari Stewart Wynne in den Zeugenstand.«
In den Zuschauerreihen brach Gemurmel aus. Jeder hatte sie schon mal im Fernsehen gesehen, und wenn die Leute in den letzten Wochen nicht hinterm Mond gelebt hatten, wussten sie auch über die Verbindung zwischen ihr und diesem Fall Bescheid.
»Glauben Sie, dass sie kooperieren wird?«, raunte Guy ihm zu.
»Nein«, antwortete Hunter, während er verfolgte, wie sie den Zeugenstand betrat.
»Warum rufen Sie sie dann auf?«
»Wenn sie nicht kooperiert, werden sich die Geschworenen fragen, warum sie das nicht tut. Dann gehen sie automatisch davon aus, dass sie etwas zu verbergen hat.«
»Aber sie steht nicht vor Gericht.«
»Nein, doch selbst wenn ihr das wahrscheinlich nicht gefällt, geht es in diesem Verfahren auch um ihren toten Mann.«
Guy nickte respektvoll, Hunter nahm es allerdings gar nicht wahr. Er verfolgte wie gebannt, wie Kari vereidigt wurde, und blickte auf die Hand, die auf der großen schwarzen Bibel lag. Sie wirkte zart wie Porzellan. Er konnte die dünnen blauen Venen und jeden zerbrechlichen Knochen sehen. Als sie in seinem Büro gewesen
war, hatte er diese Hand an seine Brust gezogen, und obwohl sie fast nichts wog, hatte sich ihm die Berührung praktisch in die Haut gebrannt.
Sie nahm Platz und wandte sich ihm zu. Sein Herz schlug einen Purzelbaum. Warum musste sie, verdammt noch mal, so wunderschön aussehen? Und warum musste gerade er es sein, der sie in der Luft zerriss? Frustriert setzte er seine Brille auf. »Bitte nennen Sie uns Ihren vollständigen Namen.«
»Kari Elizabeth Stewart Wynne.«
»Sie waren mit Thomas Wynne verheiratet?«
»Ja.«
»Wie lange?«
Sie zeigte einen Anflug von Gefühl. Anscheinend war sie von der Frage überrascht, antwortete aber in ruhigem Ton. »Zwei Jahre.«
Natürlich hatte diese Frage keine wirkliche Bedeutung für den Fall. Hunter hatte einen persönlichen Grund dafür gehabt. »Kennen Sie Mr Parker und Mr Haynes?«
»Ja.«
»Wie gut?«
»Sie waren Mitglieder des Stadtrats, genau wie mein … verstorbener … Mann.«
Sie war wirklich clever. Jetzt stand er da, als mache es ihm Spaß, eine arme junge Witwe durch den Wolf zu drehen. Und genauso kam er sich auch vor. Wenn sie es nicht längst schon taten, fräßen die Geschworenen ihr spätestens in fünf Minuten aus der Hand. Er durfte ihr solche Tricks nicht durchgehen lassen, denn eventuell erläge er sonst selbst am Ende ihrem Charme.
»Während Ihr Mann Mitglied im Stadtrat war, war er da öfter unterwegs?«
»Ja.«
»Waren das eher Geschäfts- oder Vergnügungsreisen, Mrs Wynne?«
»Mein Mann ist tot. Wie kann er da noch vor Gericht stehen?«
Zwei zu null für sie. Hunter sah den Richter an. »Euer Ehren, würden Sie die Zeugin bitte auffordern, die Frage zu beantworten?«
»Ihr Mann steht nicht vor Gericht, Mr McKee«, rief ihm auch der Richter in Erinnerung.
»Nein, Euer Ehren, das tut er nicht. Aber wenn er noch am Leben wäre, stünde er das ganz bestimmt. Auch wenn das jetzt natürlich keine Rolle spielt. Allerdings gehe ich davon aus, dass die Antwort der Zeugin einen wichtigen Hinweis darauf liefern kann, dass Mr Parker und Mr Haynes an der ihnen zur Last gelegten Veruntreuung von öffentlichen Geldern
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