Verruchte Begierde: Roman (German Edition)
angebetet und bewundert hatte, hatte das Zeitliche gesegnet, kurz bevor sie mit ihrem Abschluss in Kommunikationswissenschaft vom College abgegangen war.
Und jetzt hatte das Schicksal ihr auch noch Thomas genommen.
Sie vollzog die Rituale der Beerdigung, fühlte sich dabei aber vollkommen leer.
Erst, als sie zusammen mit Bonnie in Pinkies Wagen saß und er sie nach Hause fuhr, brach sie in Tränen aus. Bonnie hielt ihr schweigend eine Packung Taschentücher hin.
»Wisst ihr noch, als wir geheiratet haben?«, wollte Kari von den beiden wissen. »Die Leute waren damals vollkommen schockiert.« Ihre Stimme hatte einen rauen Klang. Vielleicht hatte sie mehr geweint, als ihr bewusst gewesen war.
»Die Leute sind immer geschockt, wenn ein Paar nicht der Norm entspricht. Und du warst über dreißig Jahre jünger als dein Mann«, stellte Bonnie fest.
»Zweiunddreißig, um genau zu sein. Doch für mich hat es sich nie so angefühlt.«
»Thomas hat auch nicht so alt ausgesehen, wie er war. Und er hat ganz sicher nicht wie die meisten anderen Männer Anfang sechzig gelebt.«
Kari lächelte Bonnie an. »Nein, das hat er nicht.« Dann blickte sie aus dem Fenster und war überrascht, als sie das Treiben auf der Straße sah. Aber schließlich war dies für die meisten Menschen ein normaler Wochentag. Für sie alle ging das Leben einfach weiter, wie wenn nichts geschehen wäre.
»Der Tod meines Vaters hat mich fertiggemacht«, meinte sie nachdenklich. »Ich kann mich noch daran erinnern, dass ich, als ich zum Sender kam, nur das einzige Ziel im Leben hatte, beruflich erfolgreich zu sein. Ich wollte damals nur noch für meine Arbeit leben. Doch dann habe ich Thomas kennengelernt. Er hat meinem Leben wieder einen Sinn gegeben. Ich weiß nicht, was ich ohne ihn gemacht hätte. Wir waren so glücklich.« Sie stieß einen Seufzer aus. »Ist das Schicksal eifersüchtig, wenn man glücklich ist?«
»Manchmal denke ich, dass es so ist«, pflichtete ihr Bonnie freundlich bei. »Du bist wunderschön und ungeheuer talentiert. Thomas Wynne war reich und ungemein erfolgreich. Es hat immer so gewirkt, als ob ihr beiden alles hättet, was man sich nur wünschen kann.«
»Das hatten wir tatsächlich«, bestätigte Kari, während Pinkie seinen Wagen in die Einfahrt des Hauses lenkte, das ihr und Thomas’ Heim gewesen war. »Bitte kommt doch noch mit rein.«
»Bist du sicher?«, fragte Pinkie sie. »Wir wollen uns bestimmt nicht aufdrängen, aber ich könnte einen Schluck von irgendetwas Alkoholischem vertragen.«
»Ich habe noch eine Flasche deines Lieblingsbrandys«, sagte Kari, zog den Schlüssel aus der Tasche und machte die Haustür auf. Sie hatte den Angestellten heute freigegeben, damit sie die Beerdigung besuchen konnten und weil ihr bewusst gewesen war, dass sie nur die engsten Freunde um sich haben wollen würde, wenn sie nach der Trauerfeier nach Hause kam. »Und außer dir würde kein Mensch jemals diesen Fusel trinken.«
Pinkie wusste es zu schätzen, dass sie sich bemühte, einen kleinen Scherz zu machen. Denn ihm war bewusst, dass sie innerlich völlig gebrochen war. Sie hatte Thomas angebetet und noch nicht mal einen Hauch von Kritik vertragen, wenn sie gegen ihren Mann gelenkt gewesen war. Er hatte insgeheim immer gedacht, dass diese Beziehung nicht gesund für Kari war, hätte das ihr gegenüber aber niemals laut gesagt.
Trotz des fahlen Sonnenlichts, das durch die Sprossenfenster fiel, war es im Inneren des Hauses düster und empfindlich kühl. Kari drehte den Thermostat ein wenig höher, als sie das Wohnzimmer betrat, nahm ihren Hut ab und zog ihren Mantel aus, schien nicht zu wissen, was sie damit machen sollte, und warf schließlich beides einfach achtlos über einen Stuhl.
»Ich werde die Drinks besorgen«, bot sich Pinkie an und trat bereits vor die antike Bar. »Was möchtest du, Bonnie?«
»Whiskey, ohne alles.«
»So ist’s recht. Kari?«
»Oh … egal«, murmelte sie, während sie sich ermattet auf das Sofa sinken ließ.
Bonnie Strand beugte sich leicht in ihrem Sessel vor
und nahm Karis Hand. Pinkie hatte sie wenig schmeichelhaft als alte Schachtel tituliert. Doch das war sie ganz sicher nicht. Die silbrig grauen Strähnen in den braunen Haaren machten ihre Züge weich, und durch die Falten, die sie hatte, wurde ihr ausdrucksvolles Mienenspiel nicht geschmälert, sondern durchaus vorteilhaft betont.
Sie war eine noch immer attraktive Frau von Mitte vierzig, die von ihrem Mann nach der Geburt des
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