Verruchte Lady
auf der Tanzfläche in seine Arme geschlossen hatte, war er sich der sinnlichen Erregung, die er verspürte, schmerzlich bewußt gewesen.
Er begehrte sie mehr als je zuvor. Die Tatsache, daß sie Claringtons Tochter war, änderte nichts daran. Aber sein Verlangen änderte auch nichts an seiner Wut. Er würde beides bekommen -die Frau und seine Rache.
Gabriel versuchte, sich auf seine Zeitung zu konzentrieren. In seinem Club war es heute morgen sehr ruhig. Für gewöhnlich war es in den meisten dieser Etablissements um diese Stunde sehr still. Die meisten Mitglieder erholten sich um diese Zeit von den Nachwirkungen einer langen Nacht und von ungeheuren Men-gen Alkohol. Vor acht Jahren war er das letzte Mal hier gewesen, aber es hatte sich kaum etwas verändert. Eben dieser Mangel an Veränderung war das Zeichen eines guten Clubs.
Gabriels Blick wanderte über die Anzeigen für Theateraufführungen, Pferde und Häuser, die zu vermieten waren. Er hielt kurz inne, las die Gästeliste einer Soiree vom Vorabend durch und notierte sich in Gedanken die Namen.
Er mußte sich so schnell wie möglich in dem komplizierten und manchmal gefährlichen Labyrinth gesellschaftlicher Beziehungen auskennen. Diese ähnelten den gefährlichen Gewässern der Südsee, die zu durchfahren er ebenfalls hatte lernen müssen. Piraten, Haie und versteckte Riffe gab es hier wie da im Übermaß.
Mit einer Sache hatte Phoebe recht gehabt: Ihre gesellschaftliche Stellung würde ihm umgehend wichtige Türen öffnen. Um seine Rache zu bekommen, mußte er sich in denselben Kreisen bewegen wie Lord Clarington und seine Familie.
Wenn er erst einmal Eintritt gefunden hatte, dann würden ihn sein Titel und sein Vermögen so gut wie unantastbar machen, und er könnte in Ruhe seinen Angriff auf den Clarington-Clan planen.
»Wylde. Mein Sohn hatte also recht. Sie sind tatsächlich zurück.«
Gabriel ließ langsam die Zeitung sinken. Er mußte sich zwingen, seine Zufriedenheit nicht allzu deutlich zu zeigen. Clarington war hier. Der Kampf hatte begonnen.
Er sah mit höflicher Resignation auf, als sei dies die langweiligste Begegnung der Welt. Dann blickte er seinem alten Feind direkt in die Augen. »Guten Tag, Mylord. Nett von Ihnen, vorbeizukommen und mich in der Stadt willkommen zu heißen.«
»Wie ich sehe, sind Sie noch genauso unverschämt wie früher.« Clarington nahm Gabriel gegenüber Platz.
»Ich möchte Sie schließlich nicht enttäuschen.«
Gabriel sah seinen alten Gegner neugierig an. Genau wie der Club hatte auch der Graf von Clarington sich in den letzten acht Jahren kaum verändert. Obgleich er inzwischen mindestens sechzig und um die Hüften herum etwas fülliger geworden war, besaß er noch immer dieselbe aufgeblasene Arroganz, an die sich Gabriel nur allzu gut erinnerte.
Clarington war sein Titel bei der Geburt zugefallen, und er war dementsprechend erzogen worden. Schon mit der Muttermilch hatte er fünf Generationen an Geschichte und gesellschaftlichem Rang eingesogen, und er war entschlossen, sicherzustellen, daß seine ganze Familie in seine Fußstapfen trat. Gabriel wußte, daß Claringtons oberstes Ziel im Leben war, dafür zu sorgen, daß nichts diesen Titel in den Schmutz zog.
Clarington war eine beeindruckende Erscheinung. Er war groß, fast so groß wie Gabriel. Seine Hakennase beherrschte ein Gesicht, das Entschlossenheit und Stolz zum Ausdruck brachte. Seine stechenden blauen Augen zeugten von der wachen Intelligenz, die die ganze Familie kennzeichnete. Außerdem brachten sie äußerstes Mißfallen zum Ausdruck, als sie auf Gabriel gerichtet waren.
»Ich nehme an, Sie haben sich nicht sonderlich verändert, während Sie im Ausland waren«, sagte Clarington.
»Nun, warum sollte ich auch? Schließlich habe ich immer noch die Möglichkeit, einfach mit einer reichen Erbin durchzubrennen.«
»Das also haben Sie im Sinn.« Clarington schien auf eine grimmige Art zufrieden zu sein, als er seine schlimmsten Befürchtungen bestätigt sah. »Anthony sagte etwas in der Richtung. Er hat gestern abend beobachtet, wie Sie meine jüngere Tochter praktisch hinter sich her in den Garten gezerrt haben.«
»Ich habe sie nicht gerade hinter mir hergezerrt.« Gabriel lächelte kurz. »Soweit ich mich erinnere, ist sie durchaus freiwillig mitgekommen.«
»Sie, Sir, haben ihre etwas impulsive Natur schamlos ausgenutzt.«
»Etwas impulsiv? Ich bin mir nicht sicher, daß ich Phoebe als etwas impulsiv bezeichnen würde. Ich würde eher
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