Verruchte Lady
Claringtonsche Kutsche, als er um die 9
Ecke bog. Braun mit schwarzer Verzierung war sie unverkennbar. Erleichtert machte er sich daran, die schmale Kopfsteinpflasterstraße zu überqueren.
Auf halbem Weg bemerkte er eine weitere Kutsche, die am Eingang zu einer nahe gelegenen Gasse stand. Es war ein kleines, schmales Gefährt, das von einem Paar schlanker Grauer gezogen wurde. Die teure Equipage war in dieser Umgebung ebenso fehl am Platz wie Claringtons Kutsche. Gabriel sah genauer hin und stellte fest, daß das Wappen auf der Kutschentür mit einem schwarzen Tuch verhängt und die Vorhänge zugezogen waren. Er setzte sich in Bewegung.
In diesem Augenblick hörte er, daß sich in der Gasse etwas tat. Ihm wurde eiskalt. Dieses Gefühl hatte er in der Südsee mehr als einmal gehabt, und er hatte gelernt, es niemals zu ignorieren.
Gabriel rannte los. Seine Stiefel hallten auf dem Kopfsteinpflaster, als er auf den schmalen Weg zustürzte.
Unterdrückte Flüche und ein gedämpfter Schrei hallten aus der Gasse, als er den Eingang erreichte. Zwei stämmige Kerle kämpften mit einem sich windenden Bündel, das in eine große Decke gehüllt war.
Gabriel begriff sofort, was los war, und machte einen Satz nach vorn.
Die beiden Männer waren so eifrig mit ihrer strampelnden Last beschäftigt, daß sie Gabriel nicht sofort sahen. Er packte einen der beiden bei der Schulter, wirbelte ihn zu sich herum und schlug ihm seine Faust direkt in sein glänzendes, schwitzendes Gesicht.
Der Mann stöhnte, ließ sein Ende des Bündels fallen und stolperte rückwärts gegen eine Hauswand.
»Was zum Teufel soll das?« Der andere Mann starrte Gabriel kurz an, und dann ließ auch er seine Last fallen. Die Gestalt in der grauen Stoffdecke landete unsanft auf den schmutzigen Steinen.
Der zweite Mann griff in seinen Stiefel und zog ein Messer
hervor. Mit einem teuflischen Grinsen wandte er sich an Gabriel. »Tja, nun, Kumpel. Ich werd’ dir zeigen, was es heißt, sich in andrer Leute Angelegenheiten zu mischen.«
Er machte einen Satz auf Gabriel zu, der eilig einen Schritt zur Seite trat. Gabriel streckte die Hand aus, als der Mann an ihm vorbeihechtete, und verpaßte ihm einen ordentlichen Stoß. Der Angreifer verlor das Gleichgewicht. Seine Stiefel glitten über das schmierige Kopfsteinpflaster, und er landete direkt neben seinem Kumpanen, der eben versuchte, wieder auf die Beine zu kommen. Beide Männer gingen zu Boden, und das Messer rutschte über die Steine.
Gabriel griff in seinen eigenen Stiefel und zog das Messer heraus, das er seit beinahe acht Jahren immer bei sich trug. Er hatte diese Gewohnheit während der ersten Monate auf den Inseln entwickelt, und alte Gewohnheiten gab man nicht so leicht auf. Er ging zu den beiden hinüber und setzte dem zweiten Mann die Spitze seines Messers an die Kehle.
»Tja, nun, kein Grund, nervös zu werden, Mann.« Der Mann schenkte ihm ein versöhnliches Lächeln, dessen Wirkung jedoch etwas durch die dunklen, verfaulten Zähne gemindert wurde, die er dabei zeigte. »Wenn Sie sie haben wollen, dann gehört sie Ihnen. Aber wir hätten ’n guten Preis für sie erzielt bei dem feinen Pinkel in der schönen Kutsche. Ich nehme nich’ an, daß Sie uns dafür entschädigen woll’n, he?«
»Verschwindet von hier«, sagte Gabriel leise.
»Du hast vollkommen recht, Mann. Wir sin’ schon unterwegs.« Die beiden Schurken sahen auf das Messer und bemerkten die professionelle Art, in der Gabriel es in der Hand hielt. Dann zogen sie sich zum Eingang der Gasse zurück.
»Nichts passiert«, sagte der erste. »Wie mein Freund gesagt hat, sie gehört Ihnen.«
Die beiden stürzten aus der Gasse und verschwanden.
Gabriel ließ das Messer wieder in seinen Stiefel gleiten und ging hinüber zu dem zappelnden Bündel. Es überraschte ihn
nicht besonders, als er den Zipfel eines goldgelben Musselinkleides entdeckte. Er bückte sich und wickelte Phoebe aus der Decke.
»Alles in Ordnung?« Er musterte sie eilig von Kopf bis Fuß, während er sie auf die Füße zog. Sie sah etwas mitgenommen aus, schien aber nicht verletzt zu sein.
»Ja, alles in Ordnung. Oh, Gabriel, Sie haben mich gerettet.« Phoebe warf sich direkt in seine Arme.
Gerade als Gabriel sie fester in die Arme schließen wollte, hörte er vom Eingang der Gasse her das Geräusch von Kutschenrädern.
»Verflucht.« Er ließ Phoebe los und rannte zum Ende der Gasse.
»Gabriel? Was ist los?« Phoebe eilte ihm hinterher.
Gabriel wartete nicht
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