Verruchte Lady
Di Lady im Turm.
Es war ihre Ausgabe. Sie war sich so gut wie sicher.
Verblüfft drehte sich Phoebe um und blickte auf Gabriel. Er hatte sich nicht bewegt, aber seine Augen waren offen. Er beobachtete sie, doch sein Gesichtsausdruck war im flackernder Schein des Feuers nicht zu erkennen.
»Ich habe dir doch gesagt, daß ich die Nachforschungen er folgreich zu Ende führen würde«, sagte er ruhig. »Ich habe dir versprochen, daß du deine Ausgabe von Die Lady im Turm noch vor Saisonende bekommen würdest.«
Phoebe schaute ihn verständnislos an. »Du hast sie gefunden, ohne mir etwas davon zu erzählen? Gabriel, das begreife ich nicht.« Ihre Miene hellte sich plötzlich auf. »Warte. Es sollte mein Hochzeitsgeschenk werden, nicht wahr?«
»Phoebe, hör mir zu.«
Aber Phoebe war sich sicher, daß sie wußte, was passiert war. »Was für eine wunderbare Überraschung. Es tut mir so leid, daß ich sie dir verdorben habe, aber keine Angst. Ich bin begeistert. Wo hast du sie gefunden? Wem hat sie gehört?«
Er setzte sich langsam auf. Das Licht des Feuers tanzte auf seinen breiten Schultern und tauchte seine nackte Haut in brennendes Gold. Er zog ein Knie an und legte seinen Arm darauf. Seine smaragdgrünen Augen waren voller dumpfer Schatten.
»Das Buch gehört mir, Phoebe.«
Phoebe schluckte. »Was soll das heißen? Woher hast du es?«
»Ich habe es aus Baxters Kabine genommen, nachdem wir sein Schiff geentert hatten.« Gabriels Stimme war eigenartig tonlos. »Baxter wollte nicht hängen. Also sprang er über Bord und verschwand. Wahrscheinlich ist er ertrunken.«
»Du hast sein Schiff geentert?« Phoebe stellte fest, daß ihre Beine nachzugeben drohten. Langsam setzte sie sich auf einen Stuhl am Fenster und faltete ihre Hände im Schoß. »Großer Gott, Gabriel, willst du damit etwa sagen, daß du in der Südsee ein Pirat warst? Ich weigere mich, das zu glauben.«
»Das freut mich. Ich war nämlich kein Pirat, sondern ein hart arbeitender Geschäftsmann, der versucht hat, vom Perlenhandel zu leben. Baxter war derjenige, der mit der Piraterie anfing, als er die Inseln erreichte.«
»Unmöglich«, sagte Phoebe eilig. »So etwas hätte er niemals getan.«
»Es ist nicht besonders wichtig, ob du es glaubst oder nicht. Es ist die Wahrheit. Offenbar fand er es einfacher und ertragreicher als irgendein redliches Gewerbe. Er wurde uns allen auf Dauer etwas lästig. Jemand mußte ihn uns vom Hals schaffen.«
»Lästig«, wiederholte Phoebe. Tausend verschiedene Gedanken wirbelten in ihrem Kopf herum.
Gabriel sah sie mit grimmiger Miene an. »Es gelang ihm, die Führung über ein eigenes Schiff zu erlangen. Dann enterte er zwei Schiffe meines Unternehmens, wobei er eine Reihe von meinen Männern tötete. Er hat ungeheure Warenmengen erbeutet, unter anderem ein paar äußerst wertvolle Schmuckstücke aus
schwarzen Perlen, Gold und Diamanten. Nach diesem Zwischenfall beschloß ich, ihn zu suchen, ehe er weiteren Schaden anrichten konnte.«
Phoebe starrte Gabriel verblüfft an. »Großer Gott. Das ist einfach unglaublich. Ich kann nicht glauben, daß ich mich in Neil derart getäuscht haben soll.«
»Weil er den edlen Lancelot gespielt hat, während er gleichzeitig deinen Vater erpreßte? Baxter war ein äußerst cleverer Bastard. Du warst nicht die einzige Frau, die er so erfolgreich hinters Licht geführt hat.«
Phoebe errötete. »Das klingt, als sei ich eine vollkommene Närrin.«
Gabriels Gesichtsausdruck wurde sanfter. »Du bist keineswegs eine Närrin, meine Süße, aber du bist ziemlich naiv. Frauen sind anfällig für den Charme, den Baxter versprüht. Sie sehnen sich danach, den Illusionen zu glauben, die er ihnen macht.«
Phoebes Hände verkrampften sich in ihrem Schoß. »Du redest, als würdest du noch andere Frauen kennen, die gedacht haben, er sei ihr Lancelot.«
»Auf den Inseln gelang es Baxter, sich als wohlhabender Reeder auszugeben. Er pflegte vertraulichen Umgang mit Schiffseignern und erhielt so die Informationen, die er brauchte, um unsere Schiffe in die Falle zu locken.« Gabriels Blick wurde hart, »Außerdem hat er sich an die Frauen herangemacht, um Einzelheiten über Ladung und Route der verschiedenen Schiffe zu erfahren.«
»Die Frauen?«
»Ehefrauen und Töchter und...« Gabriel zögerte kurz, »andere. Er hat sie mit seinem Charme verzaubert, bis sie ihn freiwillig alles erzählten, was er wissen wollte.«
»Ich verstehe.« Phoebe schwieg einen Augenblick, während sie
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