Verruchte Nächte - One Night with a Spy (03 Royal-Four)
irgendwelche Aufzeichnungen enthielt. Barrowby selbst schien ihn zu verhöhnen, winterlich tot und schön, wie es war.
»Es tut mir leid, Mylord. Wonach auch immer Ihr sucht, es ist nicht hier.« Der Dorfschmied, der für Marcus den Eisenrechen gezogen hatte, schaute schwermütig auf den Müllhaufen aus dem See.
Natürlich konnten das Mitgefühl und die Trauer des Mannes auch damit zusammenhängen, dass ihm die unanständig hohe Belohnung entging, die Marcus für das Auffinden des »Objektes« ausgesetzt hatte.
Marcus klopfte dem grobschlächtigen Schmied auf die Schulter.
»Trotzdem danke ich Euch.« Er kehrte ihrem ergebnislosen Versuch den Rücken.
»Mylord?« Der Schmied holte ihn ein. »Mylord, kommt unsere Herrin zu uns zurück?«
Marcus hielt inne. »Die Suche nach dem Erben von Barrowby ist noch nicht abgeschlossen«, sagte er ausweichend. »Ich bin sicher, Ihr werdet bald wieder einen Herrn vor Ort haben.«
Er ging weiter. Der Schmied heftete sich stur an seine Fersen.
»Aber unsere Herrin - wisst Ihr, ob es ihr gut geht? Sie würde uns nicht verlassen, ohne sich zu verabschieden, wenn alles in Ordnung wäre.«
Ach, wirklich? Mir kommt es eher so vor, als würde das bei ihr zur Gewohnheit werden.
Der Schmied fuhr fort, aber Marcus ließ den Kopf hängen und ging davon. Er konnte es nicht ertragen, in noch ein fragendes Augenpaar zu sehen.
Wo ist unsere Herrin?
Er könnte es ihnen zeigen, wenn sie es denn wirklich sehen wollten, denn sie war überall. Sie saß in dem vorderen Salon, und sie war in den Stallungen - sie ging auf Barrowby um wie ein Geist. Ihr Geruch hielt sich in den Fluren, und ihr Lächeln schimmerte immer irgendwo gerade außerhalb seines Blickfeldes.
Sie tanzte im Tempel in ihrem kahlen Garten, erwiderte seinen Kuss mit überraschend großem Hunger. Sie ging durch die Eingangshalle mit gerunzelter Stirn und erzählte ihm, dass Elliot verschwunden war. Sie stand in der Nacht auf ihrem Balkon, das liebreizende Gesicht den Sternen zugewandt, während der Wind sie erfrischte.
Wo ist unsere Herrin?
Er wusste es nicht. Wollte es nicht wissen. Wo auch immer sie war, er wünschte ihr, dass sie frei war und glücklich.
Für ihn selbst war sogar seine Ernennung zum Fuchs nichts weiter als ein dröger Tag in einer endlos langen, eintönigen Zukunft; seine Errungenschaft trug den Makel von Schuld und Verlust und einem Bedauern, das ihm schier den Verstand raubte.
Eine Schlinge legte sich eng um seinen Brustkorb, als er sich ihrer letzten an ihn gerichteten Worte erinnerte. Heute war der beste Tag meines Lebens.
Ein verdammter Tag. Ein Tag, dessen Großteil er überzogen mit dem Schmutz des Abortaushebens und Löwenspucke zugebracht hatte. Das Unglaubliche war nur, dass es auch für ihn der beste Tag seines Lebens gewesen war.
Wohin führte ihn das also - wenn nicht in die Einsamkeit?
»Mylord, Ihr habt Besuch.«
Aber vielleicht auch nicht ganz.
Es war Elliot, aber ein vollkommen anderer Mann als der affektierte Dandy, den Marcus bisher gekannt hatte. Er war in ernstes Schwarz gekleidet, nur das dunkle Blau seiner Weste durchbrach die Schwärze. Nichts erinnerte an den pfauenhaften Gecken von einst.
Elliot vollführte eine knappe Verbeugung. »Guten Tag, Mylord.« Auch die schwerfälligen Gesten und die von Herzen kommende Langeweile waren verschwunden.
Marcus betrachtete ihn leicht amüsiert. »Hübsche Weste.«
Elliots Mundwinkel zuckten und erinnerten ein wenig an seine vergangene Rolle. »Danke, Mylord, ich dachte mir schon, dass sie Euch gefallen würde.«
»Dann ging also die andere Ausstattung auf das Konto eines bestimmten Kammerdieners?« Der in modischen Dingen ausgesprochen phantasievolle Button diente zwar dem ehemaligen Meisterspion Simon Raines, aber er war auch für die Tarnung der Mitglieder des Liar’s Club zuständig. Die Liars selbst bedauerten heimlich oftmals diese Tatsache.
Heimlich, denn Button war dafür bekannt, dass er an jedem Rache nahm, der es wagte, seinen Modestil zu kritisieren. Marcus schüttelte mitfühlend den Kopf. »Was habt Ihr getan, dass Ihr das verdientet?«
Elliot verzog das Gesicht. »Das möchte ich lieber nicht sagen, Mylord. Er hat seine Ohren überall.«
Marcus lachte. »Dann seid Ihr also heute als Ihr selbst hier. Um mir direkt zu berichten? Das ist eher unüblich.«
»Ja, Mylord. Der Gentleman hat mir aufgetragen, Euch persönlich seine Entschuldigung zu überbringen.«
»Gentleman« war Etheridges Codename unter den
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