verrueckt nach dir
werden und sich völlig falsch anfühlen.«
Wir saßen mal wieder am Küchentisch, aber dieses Mal lag eine Spannung in der Luft, die sich nicht auflösen wollte. Sie war wie eine schwere Decke, unter der man sich kaum bewegen konnte.
»Lexi«, sagte meine Mutter, jetzt ein wenig sanfter. »Tu es doch einfach. Du brauchst nicht viel zu reden.«
Ich schüttelte energisch den Kopf. »Nein!«
»Gut, dann lass es. Aber du schläfst zuhause! Und ich geh jetzt duschen und danach ins Bett. Ich hab die letzten Tage so viel Überstunden gemacht, dass ich mir fast eine Woche frei nehmen könnte. Leider bekomme ich nicht mal das Wochenende frei.«
Ich ging auf ihr Gejammer nicht ein.
»Mama, ich werde nachher zu Sergio gehen. Ich hab mich schon verabredet!«, sagte ich stur. Mit großer Mühe versuchte ich, meine Stimme so ruhig und beherrscht wie möglich klingen zu lassen, aber mein Herz klopfte unruhig. Meine Kehle fühlte sich wie geschwollen an.
Offensichtlich nahm sie mich nicht wirklich ernst, denn sie stand einfach vom Tisch auf.
»Lexi, lass das«, sagte sie mit einem Stöhnen. »Ich bin müde.« Und ohne sich umzudrehen, verschwand sie aus der Küche. Ungläubig und verärgert sah ich ihr hinterher. Eine derart unangenehme Situation mit meiner Mutter hatte ich schon ewig nicht mehr erlebt. Eigentlich waren wir bei Meinungsverschiedenheiten letztendlich immer zu einer Übereinkunft gekommen.
Ich stand auf und stellte mich missmutig ans Küchenfenster. Die Sonne ging gerade unter und tauchte die Stadt in ein warmes Licht.
Was sollte ich jetzt nur tun?
Ich brauchte ihr Einverständnis. Wenn ich gegen ihren Willen gehen würde, könnte ich meine Zeit bei Sergio nicht genießen und müsste ständig an meine Mutter denken.
»Mama, bitte. Ich lerne jetzt ein bisschen und dann treffe ich mich mit Sergio, okay? Das ist doch ein Kompromiss, oder? ... Ich will heute unbedingt bei ihm sein. Bitte! ... Wie würdest du dich denn fühlen, wenn man dir die Reifen zerstechen würde? Bestimmt nicht super. Ich bin seine Freundin und möchte ihn gerne trösten.«
Sie hatte die Zahnbürste und eine Menge Schaum im Mund, der ihr aus den Mundwinkeln quoll. Unnachgiebig schüttelte sie den Kopf, ohne mich dabei anzusehen.
Und dennoch, ihr Gesicht wirkte entspannter und in ihren Augen lag wieder die typische Sanftheit, die ich vor wenigen Minuten noch schwerlich vermisst hatte.
Sie gurgelte mit Wasser, spuckte und drehte sich zu mir um. »Lexi, ich mach mir Sorgen«, sagte sie und lief aus dem Bad. Schnell eilte ich ihr hinterher. Im Schlafzimmer zog sie Jeans und Bluse aus, griff sich einen dicken Wälzer von der Kommode und krabbelte in ihr Bett.
»Du musst dir keine Sorgen machen, Mama. Du kennst doch Sergio inzwischen gut genug«, sagte ich. Ich stand im Türrahmen und sah sie bittend an. Ich musste jetzt alle Register ziehen. »Komm schon. Ich will nicht, dass wir streiten.«
»Ich doch auch nicht«, sagte sie und klappte ihr Buch auf der Seite mit dem roten Lesezeichen auf.
»Na, also. Dann lass mich gehen.«
»Lexi, steckt Sergio in Schwierigkeiten? Kann es sein, dass du mir nicht alles erzählst, was du weißt?« Ihr Blick war stechend und bitterernst!
»Na-ein«, behauptete ich augenrollend. »Tut er nicht. Er hat einfach nur Pech gehabt, und irgendwelche Idioten haben ihm die Reifen zerstochen. Das ist alles! Er steckt in keinen Schwierigkeiten.«
Endlich seufzte sie resigniert, und ich schöpfte Hoffnung. »Bitte, Mama.«
Sie sah mich eine Weile nachdenklich an. Mit einem klitzekleinen Lächeln sagte sie schließlich: »Na gut. Du hast mich überredet. Gratuliere!«
Ich stürmte auf sie los und knutschte sie ab. »Danke, danke, danke!«
»Ja ja, geh schon«, wedelte sie mich von sich.
»Oh, was liest du da überhaupt?«, fragte ich interessiert, bevor ich aus dem Zimmer trat.
»Na was wohl?«, schmunzelte sie. »Stephen King, natürlich. Damit ich danach schön träumen kann ...«
Ich lachte und zog die Zimmertür hinter mir zu.
Sie würde noch mindestens drei Stunden lesen, bis es draußen stockdunkel war und anschließend schlafen wie ein Stein. Am nächsten Morgen musste sie zur Frühschicht raus.
Ich nahm mir fest vor, niemals eine Arbeit im Schichtdienst anzunehmen.
Sergio holte mich mit Bojan und Luka zusammen gegen 21 Uhr ab, nachdem er mir eine SMS geschickt hatte.
Auf der kurzen Fahrt zu ihm nach Hause erfuhr ich, dass das Cabrio jetzt in die Werkstatt eines Bekannten abgeschleppt
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