Verrückt nach einer Vampirin
sie das Holz zerschlagen, dann entfernte sie sämtliche Nägel und legte alles zu der Pistole. Der Druck auf Gideon war nicht nur durch die drei Morde der letzten Tage stark. Sein Versagen bei der Aufklärung der Todesumstände von Constantines Frau dürfte zudem noch schwer auf ihm lasten. Ein derart aufsehenerregender Fall konnte die Karriere eines Polizisten vorantreiben oder aber vorzeitig beenden. Was, wenn die Tatwaffe bei ihr gefunden wurde? Es würde ihm gar nichts anderes übrigbleiben, als sie zu verhaften. Was, wenn er genau das
wollte?
Vielleicht war sein Interesse an ihr jetzt, wo sie miteinander geschlafen hatten, erloschen?
Wieso überrascht mich das überhaupt?,
fragte sich Ophelia.
Er folgt lediglich dem Muster, mit dem er in der Vergangenheit ganz gut gefahren ist. Sex und hopp.
Frauen kamen und gingen auch wieder. Was auf lange Sicht zählte, war seine Karriere. Das Problem war nur, dass es keine große Perspektive gab. Weder für ihn noch für sie.
Wenn sie das Gefängnis überlebte, wenn die Kerle, die sie anfassten, es überlebten …
O Gott!
Aber egal, ob sie lebte oder starb, die Hölle würde allemal über sie hereinbrechen. Constantine und Leopard würden ihre Verhaftung, geschweige denn ihren Tod auf keinen Fall ungestraft lassen. Sie würden Gideon kurzerhand umlegen, und die schwierige Beziehung zwischen der Polizei und den Clubs ginge in die Brüche. Mit dem harterkämpften Frieden in Bayou Gavotte, der ohnehin auf recht wackeligen Beinen stand, wäre es aus und vorbei. Ophelia sah nur einen Ausweg: Sie und die Tatwaffe mussten von hier verschwinden. Und zwar jetzt.
Drittens: Wer weiß von dem Geheimfach und hasst mich?
Der alte Mann, der vor ihr in dem Trailer gewohnt hatte, war schon lange tot. Sie konnte sich nicht daran erinnern, jemandem außer Zelda und Vi das Fach gezeigt zu haben.
Aus der Küche drang ein gedämpftes Bellen. Panik machte sich in Ophelias Brust breit. Als sie Schritte hörte, legte sie einen Zahn zu. Sie schloss das Geheimfach, bedeckte es wieder mit dem Teppich und ließ den Gefrierbeutel und das Holz in eine rosafarbene Einkaufstasche fallen. Im selben Moment klopfte es an der Tür.
Ophelia atmete tief durch und durchquerte den kleinen Flur.
Nicht zittern. Keine Angst.
»Wer ist da?«
»Ich bin es, Donnie. Ich muss mit dir reden.« Der Stimme des Nachbarn konnte man anhören, wie aufgeregt er war.
Sie ließ sich gegen die Wand fallen und holte tief Luft. Irgendetwas stimmte nicht mit Donnie, das spürte sie. Bloß was? Mit einem Schnauben legte Gretchen den Kopf auf den Pfoten ab.
Eine Entschuldigung, irgendeine fadenscheinige Ausrede musste her. Und zwar schnell. »Das muss leider warten. Ich ziehe mich gerade um, weil ich mich gleich mit Vi treffe.«
Allerdings mit einem Zwischenstopp.
Damit eilte sie zurück ins Schlafzimmer.
»Ophelia«, rief Donnie. »Warum treiben sich so viele Polizisten auf Platos Grundstück herum? Und was machen die mit dem Absperrband?«
Mit dem Kamm in der einen Hand und ihrer Schmuckschatulle in der anderen, kehrte Ophelia zurück. Sie spähte kurz durch das Küchenfenster und nahm einen weiteren tiefen Atemzug. Der Wagen der Spurensicherung verstellte die Einfahrt zu Platos Haus. »Plato wurde heute Nachmittag ermordet.«
»Du machst Scherze!« Die Eingangstür klapperte, als Donnie sich dagegenstützte.
»Über so etwas macht man keine Witze.« Ophelia fuhr sich mit dem Kamm durch das nasse Haar, ehe sie es zu einem Knoten aufdrehte. Anschließend schüttete sie das Kästchen auf dem Tisch aus. Ohrringe. Sie brauchte Ohrringe. Sie mussten sich auch nur im Entferntesten ähnlich sehen.
»Wer hat ihn umgebracht?«, fragte Donnie, der jetzt versuchte, durch den Vorhang der Eingangstür zu spähen.
»Woher soll ich das wissen?« Ophelia steckte sich einen Granatohrring an. »Donnie, ich habe jetzt wirklich keine Zeit«, rief sie, schnappte sich einen Ohrring in Blütenform für das andere Ohr, fand die passende Kette dazu und streifte sie sich über.
»Weiß die Polizei, wer es getan hat?«
»Warum fragst du sie nicht selbst?«
Ophelias Herz machte einen Satz, als Gideons Wagen in Sicht kam und hinter dem Fahrzeug der Spurensicherung stehen blieb. Noch blieb ihr genug Zeit, um wegzurennen. Zurück im Schlafzimmer, zog sie sich ein dunkelrotes Bustier, das sie in ihren Clubtagen oft getragen hatte, an. Dazu ein langer Rock aus schwarzer Seide und unerträglich unbequeme rote High Heels. Sie sammelte sich, mobilisierte
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