Verrückt nach einer Vampirin
das bisschen Normalität, das sie sich von einem Lebensmitteleinkauf versprach. Wie von selbst wanderten ihre Augen zum Fotoladen, der seit Stunden geschlossen sein müsste.
Mist.
Vor dem Eingang schlich Artemisia herum, rüttelte auffällig unauffällig an der Ladentür. Eine dumme, leichtsinnige Aktion – und das nicht nur, weil das Geschäft offensichtlich nicht mehr geöffnet hatte. Unentschlossen lief Gideons Schwester hin und her, während der Wind ihr das Haar ins Gesicht blies. Dann ging sie mit schnellen Schritten um den Laden herum zu dessen Rückseite.
Verdammt. Ophelia riss das Lenkrad herum, fuhr einen großen Bogen um die parkenden Autos und lenkte den Wagen in die Gasse zwischen dem Supermarkt und der Bank nebenan, hinter der sie links abbog. Die Müllcontainer, die Autos der Supermarktmitarbeiter und vereinzelte Schutthaufen ließ sie links liegen. Kurz vor dem Ende der Sackgasse stellte sie die Scheinwerfer aus und ging vom Gas. Während der Wagen im Schneckentempo ausrollte, dachte sie darüber nach, wie dankbar sie für ihre außergewöhnlich scharfen Augen sein konnte. Einer der Vorteile, die man als Vampir genoss. Nicht, dass sie in diesem Fall unbedingt darauf angewiesen war. Der zuckende Kegel von Arts Taschenlampe verriet, dass sie gerade die Stahltreppe nach oben zur Wohnung über dem Fotoladen emporstieg.
Ophelia stellte den Motor aus und öffnete das Fenster einen Spaltbreit. »Bin gleich wieder da«, flüsterte sie Gretchen zu, sprang aus dem Pick-up und schloss leise die Fahrertür.
»Art!«, zischte sie. Gideons Schwester schluchzte. Der Schein der Taschenlampe irrte ziellos auf dem Boden umher. »Ich bin es, Ophelia. Mach das Licht aus!«
Entweder ignorierte Art die Anweisung oder sie hatte sie schlicht und ergreifend nicht gehört, doch der helle Lichtkegel machte noch immer jedem Leuchtturm Konkurrenz. Schnell hastete Ophelia die Stufen hinauf, riss Art die Taschenlampe aus der Hand und schaltete sie aus.
»Bist du vollkommen verrückt? Was, wenn der Mörder zurückkommt, um den Laden zu durchstöbern? Nicht nur das, ich wette, dass Gideon das Geschäft überwachen lässt. Du willst doch bestimmt nicht eingebuchtet werden, oder? Los jetzt, wir verschwinden.«
»Ich muss da aber rein«, quiekte Art. »Ich weiß, dass es eine Verbindung von der Wohnung nach unten gibt. Ich habe die Treppe im Laden gesehen. Außerdem trage ich Latexhandschuhe, damit ich keine Fingerabdrücke hinterlasse.« Während sie sprach, kletterte sie unbeirrt weiter nach oben.
»Warum musst du denn unbedingt da hinein?« Ophelias düstere Blicke durchbohrten Arts Rücken. »Okay, sag nichts. Es geht hier gar nicht nur um Aktfotos. Raus mit der Sprache, um was geht es? Pornographie?«
»Was denkst du denn von mir? Ich würde niemals …« Ihre Stimme zitterte und verlor sich. »Nicht, was du denkst. Ich hatte ja keine Ahnung, dass ich gefilmt werde.«
»Art, jetzt sag schon!«
»Es war in der Umkleide an der Kunstakademie. In einer der Kabinen muss eine Kamera installiert gewesen sein, und – o Gott, ist das peinlich – ich hatte mich ausgezogen und stand nackt vor dem Spiegel. Ich habe ein paar Posen durchprobiert. Eigentlich war das überflüssig, weil ich von Freundinnen wusste, wie langweilig das Modellstehen ist. Wie dem auch sei,
er
hat mir dann eines der Bilder geschickt. Auf dem Foto beuge ich mich gerade nach vorne, so dass man alles sehen kann, und blöderweise mache ich auch noch einen anzüglichen Gesichtsausdruck. Niemand würde mir glauben, dass ich es nicht mit Absicht getan habe. Wer weiß, die anderen Bilder sind vielleicht noch schlimmer! Ich bin heute mit Constantine ausgegangen, um Dar ein bisschen eifersüchtig zu machen. Dar war total schockiert. Er wird mich eiskalt abblitzen lassen, wenn er von den Fotos erfährt.«
»Mensch, Art. Leise.« Ophelia riss die Hand in die Höhe. Nicht nur die Augen, auch das Gehör eines Vampirs war überdurchschnittlich gut. »Du kannst von Glück reden, dass ich mich ein wenig damit auskenne, wie man mit verschlossenen Türen umgeht.« Lächelnd holte sie ihren Schlüsselbund aus der Tasche und führte einen Dietrich in das Schloss. »Du drückst die Klinke herunter, wenn ich es dir sage.«
Keine fünfzehn Sekunden später standen die beiden Frauen in der Wohnung und hatten die Tür wieder hinter sich geschlossen. »Das war ja cool«, flüsterte Art. »Wo hast du das denn gelernt?«
»Tony hat es mir beigebracht.« Ophelia ließ den Blick
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