verrueckt nach mehr
Ankerpunkte hat, an denen er sich festhalten kann, geht er nicht unter.«
Er hatte ausgesprochen, was ich insgeheim fühlte. Ich nickte dankbar, und Adriana lächelte ein wenig ... ein Hauch eines kleinen Lächelns ... das erste seit der Katastrophe. Ich konnte nicht anders als mitzulächeln.
Wieder sagte ich zu mir: Ich will stark sein. Ich will ein Ankerpunkt sein.
Aber Sergio war ausgezogen und hatte mich nicht anger u fen.
Adriana erzählte mir, dass er gestern die letzten Sachen abgeholt habe. Darunter seien auch einige von Yvos Bildern gewesen. Bevor er ging, habe er sich zu Jelena und Sanja - die im Moment nicht von der Seite ihrer Schwester wich - in die Küche gesetzt und mit ihnen gesprochen. Sie wisse aber nicht, worüber.
»Wenigstens haben sie sich zum Schluss umarmt«, läche l te sie milde. »Meine Majka durfte das Bild, das im Woh n zimmer hängt, behalten und noch zwei weitere.«
Ich war froh zu hören, dass Sergio versöhnlich gegangen war, und dass Sanja zurzeit bei Jelena wohnte, um ihr eine seelische Stütze zu sein.
Als ich wieder zuhause war, verzog ich mich in mein Zimmer, setzte mich auf mein Bett und starrte mein Handy an. Es war mir unbegreiflich, wie nervös ich war und wie ich bangte, ob er rangehen würde, wenn ich ihn jetzt anrief.
Dann gab ich mir einen Ruck.
»Hey«, hauchte ich erleichtert, als ich hörte, wie er meinen Anruf entgegennahm.
»Hey, Lexi ...«
Jeder schien darauf zu warten, dass der andere etwas sagte.
» Sergio, ist dein Umzug jetzt erledigt?«, fragte ich schlie ß lich.
»Mmh«, machte er nur. Ich wartete ab, ob er noch etwas hinzufügen wollte, aber er blieb einsilbig.
Angestrengt versuchte ich, das Gespräch in Gang zu bri n gen. »Und kann ich denn mal vorbeikommen?«
»Sicher ...«
»Wann denn?«
»Heute nicht. Ich war grad auf dem Sprung in den Club.«
»Du gehst trainieren?« Diese Info erstaunte mich.
»Ja ... werd ich jetzt täglich machen. Ich häng mich da richtig rein, hab ich beschlossen.« Er sagte diese Dinge sel t sam monoton.
»Und wann kommst du zurück? Ich mein, wie viel Stu n den dauert denn so ein Training?«
»Weiß ich nicht. Steigert sich bestimmt von Tag zu Tag.«
»Wann können wir uns denn sehen, Sergio? Willst du mir nicht dein Zimmer zeigen?«
»Doch ... klar ... vielleicht morgen?«
»Ja, morgen passt mir.« Ich war überglücklich, dass er mir einen Vorschlag gemacht hatte. »Wann soll ich denn ko m men?«
»Ich weiß nicht ... komm einfach am Abend vorbei.«
»Was heißt denn Abend bei dir?«
»Lexi, keine Ahnung ... 20 Uhr?«
»So spät?«
»Dann komm eben früher. Ich glaub, Bo ist so ab 18 Uhr rum zuhause, oder sogar früher.«
»Ja, okay«, sagte ich, leider ein wenig verunsichert. Er hatte mir das unangenehme Gefühl vermittelt, mich aufz u drängen.
»Dann bis morgen«, sagte er noch und legte auf.
»Tschau«, flüsterte ich, obwohl wir schon keine Verbi n dung mehr hatten.
Bogdanovic/Lovic
Ich kannte zwar die Straße und die Hausnummer, wusste aber nicht, wie man laufen musste, wenn man mit dem Bus kam. Also verlief ich mich erst einmal in der quirligen G e gend, die aus einer breiten Einkaufsstraße mit »tausend« u n terschiedlichen Geschäften und noch mehr verwirrenden Se i tenstraßen bestand.
In einem Schreibwarenladen fragte ich eine junge Verkä u ferin nach der Adresse, doch sie zuckte nur mit den Achseln. Zwei weitere Personen, die ich auf der Straße ansprach, waren Touris, die keine Ahnung hatten.
Als ich an einer Straßenecke ein auf Kundschaft wartendes Taxi entdeckte, lief ich sofort hin und bekam vom Fahrer eine ziemlich genaue Wegbeschreibung in gebrochenem Deutsch. Ich bedankte mich vielmals und atmete auf. Es stellte sich heraus, dass ich nur wenige Minuten von Bojans Haus - und Sergios neuer Adresse - entfernt gewesen war.
Mit pochendem Herzen stand ich endlich vor den Klinge l schildern und las auf einem bekritzelten Stück Papier, das mit Tesafilm befestigt war: Bogdanovic/Lovic .
Mein Finger zögerte kurz, bevor er schließlich auf die Klingel drückte. Ich war aufgeregt und freute mich auf Sergio, auch wenn die Verunsicherung nach unserem Telefonat noch immer in meinen Knochen steckte.
Eine tiefe, metallische Stimme fragte: »Ja?«
Sie klang unmissverständlich nach Bojan.
»Ich bin‘s. Lexi!«
»Ah, Lexi ... komm hoch.«
»Er ist immer noch beim Training«, ließ mich Bojan gleich wissen, als er mich an der Wohnungstür empfing. »Hi!« Er
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