verrueckt nach mehr
durch die Fernsehlandschaft, als ich den Kopf bei ihm hereinstreckte. Mit einem überraschten Ausdruck sah er zu mir hoch.
»Habt ihr vielleicht eine Gästezahnbürste?«, fragte ich e t was beklommen.
»Ich schau mal nach«, sagte er und sprang von der Couch auf.
Ich trat etwas zur Seite. »Tut mir leid, dass ich störe«, flü s terte ich, als er dicht an mir vorbei auf den Flur lief. Ich folgte ihm bis ins Badezimmer.
»Ich glaube, ich hatte neulich so eine Viererpackung g e kauft«, sagte er und öffnete ein kleines Hängeschränkchen über dem Waschbecken. Er kramte und klapperte ein bisschen darin herum und fand schließlich, wonach er suchte.
»Welche willst du?«, fragte er zu mir heruntergebeugt.
»Ähm ... die blau-gelbe.«
Er lächelte schief. »Die hätte ich auch genommen, aber jetzt gehört sie dir.«
Daraufhin riss er die Packung auf und gab mir die g e wünschte Zahnbürste. »Schläft Sergio schon?«
Ich nickte mit einem innerlichen Seufzer.
»Brauchst du sonst noch was, Lexi?«
Bojan griff nach der Zahnpasta, die auf einer kleinen A b lage unter dem Schränkchen lag, und schraubte den Deckel ab.
»Nein, danke«, antwortete ich und hielt ihm die Zahnbür s te hin. Er quetschte einen Streifen Zahnpasta auf den Bürste n kopf und schraubte die Tube wieder zu.
Dann sah er mich fragend an. »Falls du duschen willst ... Ich kann dir gern ein Handtuch raussuchen ...«
»Nein, nein, danke«, winkte ich schnell ab. »Ich will nicht duschen ... Oder warte ... meinst du etwa, ich riech nicht gut?« Ich hob den Arm und tat so, als würde ich unter meiner Achsel schnüffeln. Es sollte ein kleiner Scherz sein, aber Bojan fixie r te mich eindringlich. Dann beugte er sich ganz unerwartet zu mir herunter, sodass sein Gesicht nur wenige Zentimeter von meinem entfernt war, und inhalierte meinen Geruch mit g e schlossenen Augen.
Ich stand etwas verwirrt da und wartete reglos ab.
Als er seine Augen wieder öffnete, hob er die Brauen und flüsterte: »Du riechst ziemlich gut sogar!« Dann lächelte er ein verschmitztes Grübchen-Lächeln und sagte: »Okay, ich geh dann mal. Schlaf schön, Lexi!«
Ich sah ihm stumm hinterher, statt ihm ebenfalls eine gute Nacht zu wünschen.
Dann putzte ich schnell meine Zähne, damit ich endlich zu Sergio unter die Decke kriechen konnte.
Es war das erste Mal seit dem Unfall, dass ich die Nacht mit ihm in einem Bett verbrachte.
Auch wenn er schon fest schlief und nicht bemerkte, wie ich mich eng an seinen Rücken kuschelte, wie ich den Duft in seinem Nacken einatmete und mit den Fingern seine nackte Haut entlangfuhr, war es für mich wie ein Meilenstein. Vie l leicht lag der nächste noch weit entfernt. Vielleicht war er viel näher, als ich dachte. In die Zukunft zu sehen, war auch mir nicht gegeben, aber ich war bereit, mit allen Dämonen zu kämpfen, die sich mir in den Weg stellen würden. Ich würde alles tun, um Sergio zu zeigen, dass ich seine Freundin war. Eine echte Freundin!
Wudnik
Ich wurde durch dumpfe Laute geweckt, die ich in meiner Schlaftrunkenheit zuerst nicht einordnen konnte. Verwirrt hob ich den Kopf und blinzelte in die Morgendämmerung. Als ich sah, wie Sergio den Boxsack bearbeitete, wusste ich Bescheid. Ich wunderte mich darüber, dass er so rücksichtslos Krach machte.
Mit einem Räuspern setzte ich mich auf. »Sergio, was tust du da!?«
Er nahm sofort die Fäuste runter und sah zu mir rüber. »Konnt nicht mehr schlafen ...«, sagte er, als wäre das ein hi n reichender Grund, um das ganze Haus in aller Herrgottsfrühe aufzuwecken.
Er trug tief sitzende Jeans, die er nicht zugeknöpft hatte, und ein helles Tank-Top. In dem gelb-violetten Licht der au f gehenden Sonne sah er aus, als wäre er ein lebendes Pin-up. Dennoch sah ich auch die Zerbrechlichkeit hinter der mask u linen Härte, die er in dieser Pose ausstrahlte.
»Ah, verstehe, dann sollen also alle anderen auch nicht schlafen können?«, gab ich scheinbar tadelnd zurück. Dabei war es so schön, aufzuwachen und als Erstes ihn zu erblicken. Ich spürte, wie ich mich mit allen Sinnen nach ihm sehnte und wie mein Körper ohne jegliche Rücksichtnahme auf verga n gene Ereignisse nach seinen Berührungen hungerte. Mein Herz pumpte aufgeregt und trieb meinen Puls höher.
»Ich hör auf, wenn‘s dich stört«, sagte er.
Ich zog einen Mundwinkel hoch und lächelte. »Jetzt bin ich ohnehin schon wach.«
Er drehte sich wieder zum Boxsack und teilte mehrere Hiebe aus.
Wump.
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