verrueckt nach mehr
Mutter, die ich mit aller Willensstärke zu kontrollieren versuchte.
Meine Selbstbeherrschung nicht zu verlieren, würde mir selber beweisen, dass ich reif genug war, um wie eine E r wachsene mit Schwierigkeiten umzugehen und eigene En t scheidungen zu treffen.
»Das auch ... aber das ist nicht der entscheidende Punkt«, behauptete sie.
Ich riss die Augen auf. »Sag bloß ...«
»Er weiß eine Wohnung für uns, Lexi. Und ich kann pro b lemlos einen Job in einer der Kliniken bekommen.«
»Du glaubst nicht wirklich, dass ich noch einen Umzug mitmache?«, sagte ich kopfschüttelnd und atmete tief durch.
Meine Mutter blinzelte unsicher, dann sagte sie: »Dir bleibt nichts anderes übrig. Ich weiß, dass du es irgendwann verstehen wirst. Es ist das Beste für dich und mich.«
»Was dich betrifft ... von mir aus ... glaub doch, was du willst ... aber ganz sicher ist es nicht das Beste für mich«, sa g te ich forsch. Meine gespielte Selbstsicherheit gab mir tatsäc h lich Halt, was mich erstaunte. Auch meine Mutter schien irr i tiert. Sie fixierte mich mit offenem Mund.
»Es ist nicht mal eine Option «, fuhr ich fort. »Zieh von mir aus weg, Mama. Aber ich ... ich bleibe hier. Und weißt du was? Ich glaube dir kein Wort! Dir geht es nicht um mein Wohl, sondern um dein Seelenheil. Darum ging es schon i m mer.«
Wir starrten uns ratlos an.
Meine Mutter holte plötzlich tief Luft, als hätte sie die ganze Zeit vergessen zu atmen, kippte ihren Kaffee aus und goss sich frischen ein.
Dann setzte sie sich an den Tisch.
»Lexi, ich will nicht bestreiten, dass mein Seelenheil, wie du sagst, mir wichtig ist, oder zumindest es sein sollte ... aber, ob du es glaubst oder nicht, es geht mir hauptsächlich um dich. Ich hab dich hierher gebracht und es war ein großer Fe h ler. Mir das einzugestehen war nicht leicht. Ich konnte nicht ahnen, mit welchen Problemen wir es in Berlin zu tun haben würden. Aber bevor alles noch schlimmer wird, bringe ich uns hier wieder weg ... Es sind jetzt Ferien. Der Zeitpunkt ist günstig, um die Schule zu wechseln. Du hast Zeit, dich in R u he zu verabschieden.«
Ich hob einen Mundwinkel und seufzte. »Ich werde mich von niemandem verabschieden, Mama.«
Einen Moment hielt sie inne, dann sagte sie: »Und was soll das heißen? Deine Mutter zieht in eine andere Stadt und du ... bleibst dann bitte wo?«
Ich schluckte.
Tief in mir drin hörte ich eine Kinderstimme, die spontan protestieren wollte. »Du kannst mich doch nicht einfach so verlassen, Mami?«
Sie forderte mich heraus, ganz klar.
»Bitte überlege es dir noch einmal«, sagte ich in einem versöhnlichen Ton. »Außer mir wäre da nämlich noch jemand, den du sehr unglücklich machen würdest, wenn du fortgehst ... Und um deine Frage zu beantworten: Ich hab genug Möglic h keiten, wo ich unterkommen könnte.«
Ich wollte keine Namen nennen. Eine plötzliche Unsiche r heit hielt mich davon ab und mein Herz krampfte zusammen. Zwischen Sergio und mir lag ausgerechnet jetzt eine Kluft, die es noch zu schließen galt.
Meine Mutter und ich waren ganz eindeutig in einer Sac k gasse gelandet, und ab hier würde unsere Diskussion enden müssen, denn sonst würde sie eskalieren. Sie würde zu einem unschönen Gezerre werden. Ich wollte mit meiner Mutter nicht in einem Sumpf aus Anklagen und verletzenden Worten untergehen.
Stumm senkte sie den Blick, als hätte sie etwas getroffen, womit sie nicht gerechnet hatte.
»Ich versuche nur das Richtige zu tun ...«, flüsterte sie niedergeschlagen.
»Dann tu das Richtige, verdammt noch mal!«, sagte ich. »Tu das Richtige, Mama!«
Ich legte eine Hand auf ihre Schulter, doch meine Mutter blieb reglos.
Kopfschüttelnd zog ich meine Hand wieder zurück und ging in mein Zimmer.
Die nächsten Tage gingen wir uns die meiste Zeit aus dem Weg. Meine Mutter erwähnte das Thema Umzug mit keinem weiteren Wort, und ich forderte mein Glück nicht heraus. Ich hoffte, dass sie zur Besinnung kommen würde, und setzte z u dem auf Dereks wirkungsvolles Engagement.
Am Donnerstag rief er mich endlich an und erzählte mir von seiner Absicht, meine Mutter am Freitagabend im großen Stil auszuführen. Sie würde kaum nein sagen können, glaubte er. Es sollte ein Überraschungsdate werden, zu dem er sie von zuhause abholen wollte. Er hatte mit einem Kollegen die Schichten getauscht, sodass er das Wochenende frei hatte. Ich war begeistert und sprach ihm Mut zu.
In der Nacht von Donnerstag auf Freitag erhielt
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