Verrückte Zeit
er voller Zorn. Die Jungs da droben und ihr Teufelsapparat hatten ihren ersten Feind ohne Aufsehen, ohne Blutvergießen, ohne Feuer und Flammen, sauber und professionell wie in der Hölle vernichtet. Wenn ihnen das einmal gelungen war, dann würde es ihnen wieder gelingen, viele millionenmal.
Und dieses Mädchen Steele hatte gelogen; sie steckte mit diesem roten Spion Corky unter einer Decke. Er lehnte sich in seinem Sessel zurück und zündete sich die erste Zigarre des Tages an. Vielleicht war sie der Boss, dachte er, während er beobachtete, wie sich blauer Rauch zur Decke kräuselte. Vielleicht befand sich ein Nest von diesen Typen direkt hier in Seattle, ein ganzer Spionagering. Sie war gut getarnt in ihrem Job als Irrenärztin. Welche Geheimnisse ihr jeden Tag zu Ohren kommen mußten! Vielleicht gehörte sogar dieser Wichtigtuer Waycross dazu. Und die niedliche Kleine im Vorzimmer. Er schüttelte den Kopf. Das war zuviel. Die Steele hatte Corky auf ein Ziel angesetzt, in wessen Auftrag? Er mußte es herausfinden. Er brauchte mehr Leute. Er brauchte den Geheimdienst.
VIERTES KAPITEL
Am Samstag wanderte Lauren ziellos durch die Läden an der Uferpromenade, müder denn je nach einer zweiten traumgepeinigten, ruhelosen Nacht. Sie wich einem Pärchen aus, das die grüngefärbten Haare im gleichen Stil trug, wie Pferdemähnen, wich einem Pulk von Teenagern mit kahlgeschorenen Schädeln aus und ebenso einem jungen, in dessen einem Ohr und in der Wange Sicherheitsnadeln steckten. Sie blieb vor einem Schaufenster stehen, in dem ein Taucherhelm mit einem Goldfisch darin zu sehen war, und anschließend vor einer Auslage mit Silber- und Türkisschmuck von derber Machart und mit überhöhten Preisen. Sie kam an einem Geschäft für Flugdrachen vorbei und sah Drachengleiter, Schmetterlingsgleiter, Kastenflieger und Drachensegler aus Seide und Polyester. Sie ging weiter. Die Promenade war neu hergerichtet worden, um als Touristenattraktion zu dienen, hatte ihr mal jemand erzählt; damit sei der Reiz dahin gewesen, hatte ihr Informant beklagt. Nichts war von der alten Ost/West-Ringkampfatmosphäre übriggeblieben, die diesen abgewirtschafteten Seehafen zu einem der aufregendsten der ganzen Welt gemacht hatte. Jetzt zeichnete er sich nur noch durch billigen Ramsch und hohe Preise aus. Sie hatte es nicht geglaubt; ihr gefiel die Uferpromenade so, wie sie war. Wenn sie ehrlich war, mußte sie zugeben, daß sie viele der jungen Leute beneidete, die es wagten, sich die Haare rot oder grün zu färben oder sich eine Glatze zu rasieren. Sie bewunderte ihren Mut, verglich sie mit sich selbst, da sie ein geborener Feigling war, übertrieben schüchtern, mit der Neigung, sich bei jeder sich bietenden Gelegenheit in einem Winkel zu verstecken, und immer voller Angst, jemand könnte Notiz von ihr nehmen.
Sie schlenderte durch einen Keramikladen, und diesmal betrachtete sie die einzelnen Stücke ausgiebig und kaufte schließlich etwas: zwei aquamarinblaue, zwei smaragdgrüne und drei scharlachrote Töpfe. Während ein junges Mädchen die Stücke in Zeitungspapier einwickelte und sie in einer übergroßen Einkaufstüte verstaute, sah sie sich die Mt.-St.-Helens-Keramik an. Sie unterschied sich im Aussehen nicht von den anderen Sachen und kostete doppelt soviel. Auf einem Schild wurde darauf hingewiesen, daß der Töpfer dafür die Asche eines Vulkans verwendet hatte. Lauren wollte gerade noch ein weiteres Regal durchstöbern, doch dann hielt sie inne. Sie blickte zurück zur Verkaufstheke, wo das Mädchen mit dem Einpacken ihrer erstandenen Teile beinah fertig war. Zeitungen. Natürlich.
Lauren hatte am Freitag morgen und an diesem Morgen die Zeitungen durchgeblättert und die Geschichte über den rothaarigen Mann gesucht, aber nichts gefunden. Doch es gab noch andere Zeitungen, die Lokalzeitung zum Beispiel, wöchentlich erscheinende Anzeigenblätter und Stadtteilnachrichten. Mit ihrer großen Einkaufstüte, die sich als viel schwerer herausstellte, als sie erwartet hatte, verließ sie den Laden und machte sich auf den Weg zurück zu ihrem Wagen, wobei sie unterwegs nach einem Zeitungsstand Ausschau hielt. Der Wind, der vom Pugetsund herwehte, war kalt und schneidend; sie kniff die Augen zusammen und beugte den Kopf nach vorn; sie wurde angerempelt und rempelte selbst andere Leute an. Dann prallte jemand mit mehr Wucht gegen sie, als es beim üblichen Anrempeln der Fall war, und sie blickte auf.
Er war groß, mit breiten
Weitere Kostenlose Bücher