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Verrückte Zeit

Verrückte Zeit

Titel: Verrückte Zeit Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Kate Wilhelm
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schlimmer, besonders, wenn sich noch ein paar andere dazugesellen, dann solltest du sie mal hören. Zumindest gehen sie jetzt höflich miteinander um. Es gibt eine Stelle, die möchte ich dir gern zeigen. Weißt du, ich bin in der Küche und schrubbe die Töpfe und Pfannen. Ah, da kommt er.
    – Mein Gott, er ist schön! Und du bist heller, als ich gedacht habe. Ich glaube, ich habe mir ein tiefes Braun vorgestellt. Du bist sehr schön. Es wundert mich, daß man dich in die Küche abgeschoben hat, anstatt dich im Schlafzimmer oder wenigstens im Kinderzimmer unterzubringen.
    – Die Madame konnte keine Schönheiten in der Nähe leiden. Eifersüchtig. Jetzt paß auf!
    – Der kleine Scheißer! Macht er das oft?
    – Zwei-, dreimal in der Woche. Dann hatte ich den Traum. Hier ist er. Sieh mal, ein nacktes Mädchen auf dem Felsen mit einem Baby, das gestillt wird. Ich habe mit Sicherheit angenommen, daß ich das sei, da mir ein Baby aus den Armen gerissen und stromabwärts verkauft worden ist. Also habe ich ihm den Kopf mit einem Beil gespalten. Daraufhin haben sie mich gelyncht. Manchmal treffen wir uns und sprechen darüber. Uns beiden tut es leid, das ist alles. Das Leben hat Spaß gemacht, oder nicht?
    – Ich habe mich dort drüben niemals wiedergefunden. Ich habe gesucht und gesucht, und manchmal denke ich, aha, dieses Mädchen oder jenes, aber ich bin mir nie sicher. Vielleicht wäre es zu schlimm für mich, wenn ich es genau wüßte.
    – Ne, das ist es nicht. Bei manchen geht es, bei manchen nicht, das ist alles. Wahrscheinlich hast du einfach ein angenehmes, ruhiges Leben geführt, hast Kinder gehabt und bist sanft im Schlaf dahingeschieden.
    – Glaubst du? Vielleicht war es einfach zu langweilig, als daß ich es jetzt wirklich sehen möchte. Ich möchte wissen, was jemand davon hätte, wenn er mich anzapfte. Ich verstehe die Komponisten und ihre Musik. Schon in ihrer Nähe zu sein, ist wie in einem großartigen Konzertsaal zu sitzen. Und Maler malen ständig Bilder und Philosophen geben inhaltsschwere Gedanken von sich. Von denen könnte jeder sicher viel profitieren. Aber nicht von mir. Es wäre die reine Zeitverschwendung, mich anzuzapfen.
    – Vielleicht nicht. Vielleicht hast du ein kleines bißchen Frieden zu vergeben. Wie nennt man das? Beruhigung? Vielleicht würde man sich dadurch einfach gut fühlen. Ich? Ich kann dir sagen, jeder denkt, er ist auf eine Tigerin mit Jungen gestoßen, die ihre Kleinen bewacht, so ist das. Dabei habe ich nie ein Kind gehabt.
    – Einmal habe ich bei einem Mädchen in Spanien oder Portugal vorbeigeschaut, ich weiß nicht mehr genau, wo es war, und sie wurde von ihrem Vater mißhandelt, du weißt schon, was ich meine, und ein Mädchen von dort drüben hat mich genau in dem Moment angezapft, als sich die Sache zuspitzte. Jedenfalls war sie danach überzeugt davon, daß sie im früheren Leben das Opfer eines Inzests in einem Fischerdorf gewesen war. Reinkarnation war das einzige, was ihr dazu einfiel. Sie dachte sich ihr ganzes weiteres Leben lang die phantastischsten Geschichten aus und hat damit ganz schön viel Geld verdient, soweit ich weiß.
    – Oh, oh! Spürst du das? Das ist der Mann von dort drüben wieder, möchte ich wetten. Was will er eigentlich, daß er mit aller Gewalt versucht, vor seiner Zeit hier herüberzukommen?
    – Laß ihn nicht vorbei! Da, jetzt ist er wieder weg. Was bildet er sich eigentlich ein? Manche Leute wissen einfach nicht, wo sie hingehören! Der hat vielleicht Nerven!
     
    Lauren wachte vollkommen zerschlagen auf und schnupperte ungläubig in die Luft. Kaffee? Sie hatte schlecht geschlafen, war nicht ausgeruht, aber Kaffee? Kein Wunder, daß sie noch so müde war. Schlafwandeln konnte sie auch noch auf ihre Liste von gestörten Verhaltensweisen setzen. Sie zog sich ihren Bademantel über und ging geistesabwesend in die Küche, wo frischgemachter Kaffee dampfte. Auf dem Tisch lag ein Blatt Papier mit einer Mitteilung: Bitte haben Sie keine Angst. Ich muß mit Ihnen sprechen.
    Sie goß sich Kaffee ein und kippte ihn in einem Schluck hinunter, dann nahm sie den Bleistift auf, der auf dem Tisch lag, und fügte der Botschaft eine Zeile hinzu: Später. Das Apartment ist voller Wanzen.
    Sie war verloren, das wußte sie. Wenn sie sich einen oder zwei Tage Ruhe gegönnt hätte, müßte sie sich zu jemandem in Behandlung begeben, der nicht Peter Waycross war. Bei einem echten Psychotherapeuten, der sie als Fall betrachten und sie auf

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