Verschärftes Verhör
Mannes am Arm, dann einen aufblitzenden Schmerz, völlig unerwartet. Ein Messer, das sich wie Feuer in seinen Bauch bohrte.
»Tut mir leid«, flüsterte der Mann und ließ ihn los.
Stuart taumelte nach hinten, ruderte hilflos mit den Armen, während seine Knie nachgaben. Er brauchte einen Augenblick, um den blutigen Schnitt zu entdecken. Begriff erst dann, dass die Wunde in seinem eigenen Körper klaffte. Es war vorbei.
Spanien
Sie weiß es, dachte Kurtz und warf einen Blick auf Kat, als sie vom Bahnhof in Algeciras in die Calle San Bernardo bogen. Kat wusste, dass Colin tot war, wollte es aber nicht zeigen. Ein Gedanke, der Kurtz ungeheure Befriedigung verschaffte.
»Es ist nicht weit.« Das war mehr, als sie während der ganzen Zugfahrt gesagt hatte. »Laut Jamals Beschreibung liegt der Laden mitten auf dem Trampelpfad der Touristen, zwischen Bahnhof und Fähre.«
»Falls es ihn noch gibt«, gab Kurtz zu bedenken. Er fragte sich, was sie machen sollten, wenn sie ihn nicht fänden. Läden wie dieser hielten sich meist nicht lange, und die Information des Jungen war mindestens drei Jahre alt.
Kat betrachtete die Gebäude auf beiden Straßenseiten. »Ich nehme an, du hast Bargeld dabei?«
Kurtz nickte. Geld war kein Problem.
»Gut.« Sie verlangsamte ihre Schritte. »Da«, sagte sie.
Vor ihnen auf dem Gehweg lümmelten ein paar schmutzige marokkanische Jungen und boten den Vorübergehenden ihre Dienste an.
»Geldwechsel«, rief ein etwa Fünfzehnjähriger in verblichenem Harvard-T-Shirt und steuerte schnurgerade auf zwei junge britische Rucksacktouristinnen zu, die Kurtz im Zug gesehen hatte. »Marokkanische Dirham. Fährtickets.«
Die Frauen blieben zögernd stehen und hörten dem Jungen zu, der auf den Laden hinter sich deutete. Die Klügere der beiden schaute sich um und wollte weitergehen, doch es war schon zu spät; der Junge hatte ihre Freundin am Wickel, und Kurtz wusste, dass es nur eine Frage der Zeit war, bevor beide nachgeben würden.
Als er und Kat sich näherten, wollten die Frauen dem Jungen in den Laden folgen, doch Kat sagte: »Geht weiter.«
Ihre Stimme klang respekteinflößend. Die Frauen schauten sie aus großen Augen an und eilten davon. Der Junge wollte sich ebenfalls davonmachen, doch Kat hielt ihn am Arm fest. »Wir suchen Abdullah«, sagte sie auf Arabisch.
Der Junge zuckte die Achseln, doch Kat ließ sich nicht so einfach abspeisen. Sie schaute zu Kurtz und sagte rasch auf Spanisch: »Hier haben wir einen für Melilla.«
Bei der Erwähnung des Auffanglagers für illegale Einwanderer riss der Junge entsetzt die Augen auf. »Da.« Er deutete auf den schäbigen Laden, in den er die Frauen hatte führen wollen. »Mr Abdullah ist da drin.«
Kat ließ ihn los und warf Kurtz einen bedeutungsvollen Blick zu, als wollte sie sagen: »So macht man das.« Sie ging auf die offene Tür zu.
»Den Mann übernehme ich«, sagte Kurtz.
Der Laden war tief, schmal und vollkommen leer bis auf eine abgestoßene Theke ganz am Ende. Er hatte etwas von einem vernachlässigten Aquarium. An der Decke flackerten schmutzige Neonlampen, um die Wolken hektischer Motten wogten, die Lampenschirme waren gefleckt von ihren toten Artgenossen. Die Wände waren einmal behördengrün gewesen, durch jahrelangen Nikotinrauch aber zu einem noch deprimierenderen Algenton nachgedunkelt. Stark verblichene Reiseplakate, die nur noch aus Blau und Grau zu bestehen schienen, verstärkten den Eindruck eines albtraumhaften Aquariums. In einer Ecke lag eine tote Schabe mit dem Bauch nach oben. Hinter der Theke flackerte ein stummer Fernseher, das einzige Anzeichen menschlichen Lebens.
Kat trat an die Theke und drückte die angelaufene Klingel. Wie ein Krake, der aus seinem Versteck auftaucht, erschien ein Mann aus dem Hinterzimmer.
»Kann ich Ihnen helfen?«, erkundigte er sich und nahm einen speichelgetränkten Zigarrenstummel aus dem Mund. Misstrauisch betrachtete er die beiden Besucher. Er war ungeheuer fett, sein winziger Kopf nur ein Kügelchen auf dem riesigen Körper.
»Sind Sie Abdullah?«, fragte Kat, bevor Kurtz etwas sagen konnte.
Der Mann nickte.
»Wir suchen einen marokkanischen Jungen«, fuhr Kat fort. »Er heißt Jamal.«
Abdullah schaute zu Kurtz, der die Verachtung in den Augen des Mannes las, den Zorn über Kats dreistes Vorgehen. Einen Moment lang verstanden die beiden Männer einander vollkommen.
»Tut mir leid, aber Sie sind hier falsch«, wandte sich Abdullah an Kurtz. »Wie Sie sehen, gibt es hier
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