Bücher online kostenlos Kostenlos Online Lesen
Verschärftes Verhör

Verschärftes Verhör

Titel: Verschärftes Verhör Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Jenny Siler
Vom Netzwerk:
keinen solchen Jungen.«
    »Wir sind bereit, Sie für den Zeitaufwand großzügig zu entschädigen«, sagte Kat und fügte hinzu: »Wir wissen, dass der Junge hier war.«
    Abdullah nickte zu ihr, die Augen noch immer auf Kurtz gerichtet. »Sagen Sie der Frau, sie soll draußen warten.«
    Kat wollte protestieren, doch Kurtz schnitt ihr das Wort ab. »Lass uns allein.«
    Zunächst rührte sie sich nicht von der Stelle. »Geh«, wiederholte Kurtz, ohne sie anzusehen, und diesmal verließ sie den Laden.
    »Es stimmt, was die Frau gesagt hat«, sagte er zu Abdullah, als sie allein waren. »Sie sind doch Geschäftsmann. Ich weiß, Ihre Zeit ist wertvoll.«
    Abdullah lächelte. Er war zufrieden mit dem Vorschlag und der Tatsache, dass Kurtz seiner Forderung so bereitwillig nachgekommen war. »Zehntausend«, sagte er ruhig.
    Kurtz lachte. »Fünfhundert Euro«, konterte er. Wenn er mit Arabern feilschte, ging er stets davon aus, dass ihre Forderung um das Zehnfache überhöht war.
    »Fünftausend«, erwiderte Abdullah.
    »Siebenhundertfünfzig.«
    Abdullah wirkte gequält. »Tausend«, stimmte er schließlich zu. »Und ich bekomme zuerst das Geld. Das ist nicht verhandelbar.«
    Kurtz öffnete seine Mustertasche und zählte zehn Hunderteuroscheine ab. Janson wäre nicht sonderlich begeistert, aber das war er nie. Alles hatte seinen Preis, das hätte er eigentlich wissen müssen.
    Abdullah nahm das Geld, zählte nach und versteckte es hinter der Theke. »Der Junge ist heute Morgen weggelaufen«, erklärte er und verschränkte die Arme schützend vor der breiten Brust. »Er suchte jemanden, der ihn über die Meerenge bringen konnte, aber von solchen Sachen weiß ich natürlich nichts.«
    »Natürlich nicht«, antwortete Kurtz. Ihm war klar, dass man ihn über den Tisch gezogen hatte, aber das war nicht mehr zu ändern. »Er will also nach Marokko?«, fragte er, als wäre noch irgendetwas zu retten.
    Abdullah zuckte lediglich die Achseln. »Wenn Sie meinen, Bruder.« Er lächelte und entblößte einen Mund voller fauliger Zähne.
    Typisch Kurtz, dachte Kat, als sie schäumend vor Wut vor dem Laden stand. Sie hatte vor langer Zeit gelernt, sich nicht von Männern wie Abdullah einschüchtern zu lassen, und wusste, wie man deren Vorurteile zum eigenen Vorteil nutzte. Sie wusste genau, dass nur der Araber von dieser Geschichte profitieren würde; Kurtz hatte sich zum Komplizen gemacht und würde vermutlich nichts mehr erreichen.
    Kat schaute den Gehweg entlang. Bis auf einige Nachzügler waren die Passagiere vom Zug längst unterwegs zum Hafen und die meisten Jungen in lukrativere Gefilde verschwunden. Aus den Verhören in Bagram wusste Kat, dass die Jungen als Taschendiebe in den Touristenkneipen und am Fährhafen arbeiteten, woran Abdullah beträchtlich verdiente. Zweifellos waren sie dorthin gegangen. Nur der Junge im Harvard-T-Shirt war noch auf der Straße.
    Ein Kandidat wie aus dem Lehrbuch, wie geschaffen, um ihn einzuschüchtern, dachte Kat, als der Junge beim Anblick zweier Polizisten in einen Hauseingang tauchte. Sie war sich vorhin schon unfair vorgekommen, weil es so leicht gewesen war, ihm Angst zu machen, und ging nun mit einem Anflug von schlechtem Gewissen zu ihm hinüber.
    Sie vertrat ihm den Weg. »Es war doch ein neuer Junge hier, oder? Ein älterer Junge, der nach Abdullah suchte.«
    Sie ließ ihm Zeit, um zu antworten, und als er schwieg, blickte sie über die Schulter zu den beiden Beamten der Guardia Civil. »Ich bin in den Lagern gewesen«, sagte sie und hob leicht die Stimme. »Glaub mir, hier draußen bist du besser dran.«
    Der Junge schluckte hörbar.
    Kat unterdrückte ihr Mitleid, wie man es sie gelehrt hatte, und bohrte weiter. »Wo ist er?«
    Nichts.
    »Aqui!«, brüllte sie, und diesmal schoss die Hand des Jungen vor.
    »Bitte«, flehte er. »Bitte. Ich habe ihn gesehen. Er war hier.«
    Wieder blickte Kat über die Schulter und sah die Polizisten stehen bleiben und dann langsam weitergehen. »Wann?«
    »Er ist gestern Abend gekommen. Er blieb in Abdullahs Zimmer.«
    »Ist er noch hier?«
    Der Junge schüttelte den Kopf. »Heute Nachmittag habe ich ihn am Hafen gesehen.«
    »Am Fährhafen?«, wollte Kat wissen. Sie überlegte rasch. Die Lastwagen. Er kehrte auf demselben Weg nach Hause zurück, wie er gekommen war.
    Der Junge nickte. Er hielt noch immer ihren Arm verzweifelt umklammert.
    Kat löste sich aus seinem Griff, holte das Portemonnaie aus der Tasche und zog zwanzig Euro heraus. »Hier.«
    Der

Weitere Kostenlose Bücher