Verscharrt: Thriller (German Edition)
Idee, den Jungen im Garten zu begraben. Alles würde wieder gut werden, wenn der Junge in die Nähe seiner richtigen Mutter zurückkehrte. Für meinen Enkel hat sie sich nicht interessiert, nur für ihr eigenes schlechtes K asa. Also schickte sie Fudgesicle die Leiche holen, von wo auch immer er sie abgeladen hatte, und in den Garten bringen. «
» Und welche Rolle spielten Pizza und Crisco? «
» Das sind seine Großmütter. Pizza ist Fudgesicles Mutter. Crisco die von Gabriella. Irgendwann waren sie mal Partner, aber dann haben sie sich zerstritten, und seitdem hassen sie sich. «
» Warum sind Sie nicht zur Polizei gegangen? «
» Ich wollte nicht ausgestoßen werden. Wenn man ein Kris verlangt, muss man sich dem Urteil fügen. Sie würden das nicht verstehen. «
Die Luft im Keller ist stickig. O’Hara blickt sich noch ein letztes Mal um und bleibt an dem Schild über dem Frisierstuhl hängen: Haarschnitt 14 Dollar, Rasur sieben. Sie erinnert sich an das Rasiermesser im Abfluss, den nassen Teppich vor der Tür und die feuchte Ecke an dem Bitte-nicht-stören- Schild.
» Manny, wann haben Sie das letzte Mal jemanden rasiert? «
» Schon eine Weile her. Die jungen Leute heute lassen sich wieder Bärte stehen, wie in den Sechzigern. «
» Sie haben nicht zufällig neulich nachts einem Arschloch im St. Mark’s Hotel die Stoppeln gestutzt? «
» Ich glaube nicht. Aber Sie wissen ja, wie das ist, Darlene. In meinem Alter vergisst man das meiste immer gleich wieder. «
KAPITEL 66
Vorsicht mit dem, was du dir wünschst, sagt O’Haras Mutter immer. Du könntest es bekommen. In den darauffolgenden zwei Wochen lasten die lange gesuchten Antworten auf ihr wie ein Rucksack voller Wackersteine, und fast schon sehnt sie sich nach der Unwissenheit, in der sie an jenem Vormittag bei Manny hereinschneite.
Der Herbstanfang bringt O’Hara fast immer aus dem Gleichgewicht– die plötzliche Kälte und das ungemütliche Wetter–, aber in diesem Jahr scheint das Übel tiefer zu sitzen. Sie weiß, dass K recht hat. Es ist Zeit für eine Veränderung. Schon lange. Sie könnte ihren alten Freund Leibowitz anrufen und ihn um eine zweite Chance bitten, oder sich zumindest einen guten jüdischen Psychiater empfehlen lassen. Aber natürlich tut sie weder das eine noch das andere. Stattdessen meldet sie sich krank, fährt mit der U-Bahn in die Stadt und spaziert durchs East Village.
Es ist Mitte Oktober, mitten in der Woche, mitten am Nachmittag. Nur wenige Menschen sind auf der Straße und die, die es sind, wirken gelangweilt und unausgelastet, gestrandet. In der Bodega Ecke Sixth Avenue und Avenue B bestellt sie sich einen Kaffee und geht damit über die Straße zum Garten, dessen Tor verschlossen ist. O’Hara schlürft ihren Kaffee und späht durch die Gitterstäbe auf die überwucherten tausend Quadratmeter. Dass Big Roma Fudgesicle verdonnert hat, den Jungen hier zu verscharren, leuchtet fast ein. Da sie bei der Geburt des Jungen geholfen und seine Adoption vermittelt hatte, lag es auch an ihr, ihn aus dem Leben zu verabschieden und die Sache mit der Mutter zu klären.
An diesem Nachmittag ist es im Garten ebenso lau wie auf der Straße, alles wirkt wie vom Herbst eingelullt. Vom Eingang aus hat O’Hara einen ausgezeichneten Blick auf Christina Malmströmers Garten. Selbst zu dieser Jahreszeit wirkt er auffallend gepflegt. Während andere Beete überstürzt aufgegeben wurden, hat Christina alles sorgfältig für den Jahreszeitenwechsel vorbereitet und eine Schicht Lehm ausgestreut, um die Erde aufzufrischen. Wie Christina O’Hara erklärt hat, ist sie diejenige in der Familie, die gut darin ist, etwas wachsen zu lassen.
O’Hara hatte so viel mehr Glück. Im achten Monat ihrer Schwangerschaft hatte sie ihren Zustand derart gründlich verdrängt, dass sie ihn fast schon vergessen hatte. Wäre ihr Bauch einer scharfsichtigen Babyhändlerin und nicht der Schulkrankenschwester aufgefallen und hätte diese ihr versprochen, dass alles wieder gut wird, ohne dass jemand was davon mitbekommt, hätte sie der Versuchung ebensowenig wiederstehen können wie Christina. Und nachdem Christina gesehen hatte, wie ihr alter Herr mit ihrer Schwester schon wegen vergleichsweise geringerer Verstöße umsprang, hatte sie das Schlimmste zu befürchten. Andererseits erging es dem alten Malmströmer auch nicht viel besser, wenn er abends Möbel baute, während sein eigen Fleisch und Blut auf einem gebrochenen Bein durchs Viertel
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