Verscharrt: Thriller (German Edition)
blutigen Fingerabdrücke im Innern des Transporters sah, und sie dreht den Knauf der Badezimmertür.
Wie der Teppich ist auch er nass und glitschig in ihrer Hand. Als sie es erneut versucht und die Tür aufstößt, steigt ihr Wasserdampf ins Gesicht, sodass sie nichts mehr sieht, und zum zweiten Mal innerhalb einer Minute bleibt sie wie erstarrt stehen, erwartet umgerannt oder erschossen zu werden. Krekorian greift hinter sie und reißt die Tür zum Gang auf. Der Dampf entweicht, und sie erkennt eine Gestalt unter der Dusche. » Polizei « , schreit Krekorian. » Drehen Sie das Wasser ab. «
Der Mann reagiert nicht, und Krekorian schreit lauter: » Polizei! Drehen Sie das Wasser ab! « Als noch mehr Dampf entweicht, kann O’Hara den Mann in der Ecke hinter dem durchsichtigen Plastik besser erkennen. Er hält sein dunkles Haupt geneigt unter dem Brausekopf und das Wasser rinnt ihm über den breiten Rücken. O’Hara fällt auf, wie hell seine Schultern im Vergleich zum Rest seines Körpers sind, vom kochend heißen Wasser rosa angelaufen. Eine Sekunde lang fragt sie sich, ob sie vielleicht den falschen Mann vor sich haben.
» Polizei « , sagt O’Hara. » Steigen Sie verdammt noch mal aus der Dusche. «
Als O’Hara erneut Krekorian ansieht, hat dieser schon den Revolver ins Holster gesteckt und den Taser in der Hand. Er hebt die Waffe bis auf die Höhe des Ellbogens des nackten Mannes, legt den Finger auf den Abzug und schiebt sich vorsichtig voran, bis er beinahe den Duschvorhang damit berührt.
» Warte mal « , sagt O’Hara. Ihr fällt auf, dass der Verdächtige den Kopf hängen lässt, dann zieht sie den Duschvorhang beiseite. Fudgesicles Fettbacken hängen auf seiner Brust, seine Arme liegen schlaff an den Seiten. Abgesehen von dem seltsamen Winkel seines Halses und den reglosen Armen ist nichts Ungewöhnliches zu erkennen, bis sie einen Schritt zur Seite macht und den Teil seiner Brust sieht, den das Wasser nicht erreicht. Vom Hals bis zum Nabel zieht sich eine rotbraune Verfärbung wie eine nach unten hin breiter werdende Siebzigerjahre-Krawatte, und quer über dem Abfluss liegt ein Rasiermesser zwischen seinen riesigen limettengrünen Crocs.
» Eins muss man denen lassen « , sagt K.
» Was? «
» Super Wasserdruck. «
KAPITEL 62
Krekorian knackst mit den Fingerknöcheln und blinzelt in die Sonne. Um 7:45 Uhr morgens ist es im St. Mark’s Place sehr viel ruhiger als um drei Uhr nachts. Abgesehen von ein paar Sonderlingen mit Festanstellung, die zur U-Bahn eilen, sind die Bürgersteige wie leer gefegt.
» Frühstück? «
» Ich dachte eher an einen Drink « , sagt O’Hara.
Als sie ankommen, hat das Milano’s gerade erst seit ein paar Minuten geöffnet, aber die O’Hara längst wohlvertrauten Stammgäste sitzen bereits auf ihren Hockern. Keiner blickt auf, als sich O’Hara und Krekorian dazwischensetzen.
» Morgen, Darlene « , sagt Holly.
» Morgen. Holly, das ist Serge. «
» Was kann ich dir bringen? «
» Ein Guinness. «
» Und für dich, Darlene, wie immer? «
» Bitte. «
Krekorian wartet, bis Holly die Getränke serviert hat und wieder weg ist.
» ›Guten Morgen, Darlene‹ « , äfft er sie nach. » ›Morgen, Holly.‹ ›Wie immer, Darlene?‹ Was zum Teufel ist los mit dir? Du hast bekommen, was du wolltest, hast es mit fünfunddreißig in die Mordkommission geschafft. Und dann startest du hier in den Tag? Du hast dich kein bisschen verändert. «
» Ist doch irgendwie auch was Gutes, oder? «
» Nein, ist es nicht. Leben bedeutet Veränderung. Nur darum geht’s. «
» Wirklich? Hat mir keiner gesagt. «
» Dann sag ich’s dir jetzt. «
Krekorian ist zu müde, um die Sache weiter zu vertiefen. Er kippt sein halbes Pint in einem langen Zug runter, lehnt sich auf seinem Hocker zurück und schließt die Augen. Auch O’Hara ist erschöpft, ihre Stimmung ist in den vergangenen Minuten in den Keller gerutscht. Fudgesicle so blutleer unter dem Brausekopf hängen zu sehen, dass er aussah wie ein Albino, war nicht ganz unbefriedigend– vor allem, wenn man bedenkt, was er dem Jungen angetan hat–, aber auf diese Weise entgeht er dem Knast, und sie wird niemals herausfinden, warum er das Leben des Jungen so leichtfertig weggeworfen hat. Sie hatte ihn mit seiner Schuld konfrontieren wollen, und das geht jetzt nicht mehr.
» An dem Morgen waren vier Menschen in der Wohnung « , sagt O’Hara, » der alte Boxer, die beiden Täter und der Junge. Jetzt sind sie alle tot.
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