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Verscharrt: Thriller (German Edition)

Verscharrt: Thriller (German Edition)

Titel: Verscharrt: Thriller (German Edition) Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Peter de Jonge
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gewesen sein als das rechte, das ist eine Menge. Er muss auffällig gehinkt haben. «
    Als Bradley auflegt, setzt sie » auffälliges Hinken « unter die kurze » Opfer « -Liste. Die neue Information, die O’Hara Jandorek per SMS übermittelt, unterstreicht einen Aspekt, der O’Hara bereits aufgefallen ist, nämlich die offenkundige Diskrepanz zwischen Fürsorge und Vernachlässigung, zwischen Umsicht und Gleichgültigkeit. Einerseits wurde ein zehnjähriger Junge mit einer Kugel in der Schulter und einem gebrochenen Bein, das nie behandelt wurde, in einem Gemeinschaftsgarten in der Erde verscharrt. Andererseits wurde er frisch bekleidet in einem exakt vermessenen und sauber ausgehobenen Grab, mit einer Reihe kleiner Kostbarkeiten und Erfrischungen, wobei es sich möglicherweise um Abschiedsgeschenke handeln könnte, bestattet. Einen Augenblick lang konzentriert sich O’Hara– schon weil es ihr dabei besser geht– auf die fürsorglichen Aspekte, auf die Anzeichen, dass sich jemand wenigstens ein bisschen was aus dem Kind gemacht hat. In dieser Hinsicht empfindet sie sogar den Whiskey und das Gras als tröstlich, denn sie lassen darauf schließen, dass der Junge trotz der Kürze seines Lebens und der Gewalt und Vernachlässigung, die er erfahren haben musste, Freunde hatte, mit denen vielleicht sogar so was wie Spaß möglich war. Plötzlich überkommt sie ein Gefühl von Bewunderung für den tapferen Bengel mit seiner Yankees-Kappe, dem Ratso-Rizzo-Hinkebein und dem schelmischen Grinsen, das ihm nie verging, nicht mal als er schon unter der Erde lag. Es lässt sie an den ermordeten Jungen wie an einen Überlebenden denken, allerdings bricht ihr die Vorstellung, dass er sich über den Tod hinaus nicht hat unterkriegen lassen, erst recht das Herz. Leidende Kinder sind der Teil ihres Jobs, der O’Hara und ihren Kollegen am allermeisten zusetzt, und sie versinkt in traurigen, trostlosen Gedanken, als plötzlich die Barfrau vor ihr steht.
    » Brauchst du noch einen? « , fragt sie.
    » Wie kommst du denn darauf? Aber ich werde widerstehen. Ich heiße übrigens Darlene. «
    » Holly « , sagt die Barfrau.
    Wenn mir nicht gleich was einfällt, denkt O’Hara, fange ich an zu heulen, und das wäre hier noch weniger angebracht als ein Telefonat mit dem Handy.
    » Holly, hast du schon mal von einer Band namens The Germs gehört? «
    » Na klar. Die erste Punkband aus L.A. Joan Jett hat die produziert. Der Sänger hieß Darby Crash, hat sich leider umgebracht. «
    » Dann waren die Germs also ganz gut? «
    » Kann ich nicht sagen, aber sie waren wichtig. «
    » Was ist mit Coldplay, was hältst du von denen? «
    » Ist ne Scheißband. «
    » Und wie sieht’s mit dieser neuen Combo aus, den Flat Screens? Schon mal was von denen gehört? «
    » Nein. Sind die gut? «
    » Der Hammer. «
    Musikalisch passt das also überhaupt nicht zusammen. O’Hara hat der Barfrau eine Info zu verdanken, die ausgezeichnet zu dem passt, was sie schon weiß. Egal, was man von den Germs oder von Coldplay hält, sie sind unvereinbar miteinander. Sie gehören nicht auf dieselbe Playlist, geschweige denn in ein und dasselbe sauber ausgehobene Grab.
    » Um der vollständigen Wahrheit willen « , sagt O’Hara, » sollte ich wohl noch erwähnen, dass der Sänger der Flat Screens mein Sohn ist. «
    » Du siehst gar nicht alt genug aus für einen Sohn, der in einer Band singt. «
    » Danke, ich weiß das zu schätzen, aber so ein großes Kompliment ist das in meinem Fall gar nicht, ich war erst fünfzehn, als er zur Welt kam. «
    » Ich hab auch in allen möglichen Bands gespielt « , sagt Holly. » Jede Menge. «
    » Kenne ich welche davon? «
    » Weiß nicht. Space Mice, Paper Boat, Spungent. «
    » Du warst bei Spungent? Die hab ich zweimal live gesehen. Das letzte Mal im Spiral ’97. Tolles Konzert. Was hast du gespielt? «
    » Gitarre. «
    » Echt? « , fragt O’Hara und mustert Holly, versucht ihr Gesicht mit zehn Jahre alten Erinnerungen in Einklang zu bringen.
    » Ja, aber um der vollständigen Wahrheit willen sollte ich wohl erwähnen, dass ich jetzt ganz anders aussehe und damals auch unter einem anderen Namen aufgetreten bin. «
    » Ach ja? Und wie hast du damals geheißen? «
    » Richard. «
    » Ohne Scheiß? Na, danke, für die Info. Jetzt wo ich weiß, dass du ein alter Rocker bist, seh ich dich in ganz neuem Licht. «

KAPITEL 14
    O’Hara geht mit Bruno Gassi, schläft ein paar Stunden und fährt am frühen Abend wieder ins

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