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Verschieden - ein Mira-Valensky-Krimi

Verschieden - ein Mira-Valensky-Krimi

Titel: Verschieden - ein Mira-Valensky-Krimi Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Wien/Bozen Folio Verlag
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hoher Lehne. Einige Nischen, die meisten Tische aber stehen entlang der Glasfront zur Straße hin. Nicht dass diese Nebenstraße etwas Besonderes böte, aber durch Licht, Glas und Spiegel gelingt die Illusion, dass diese Straße Teil des Schauspiels sei, gelungener Teil einer Inszenierung.
    Die Ober sind mir ein wenig zu beflissen, aber das mediterrane Menü ist ein Gedicht. Vielleicht hätte ich die klare Seeteufelsuppe mit Safran etwas mehr gewürzt und die Fasanmedaillons noch etwas weniger gebraten, aber es ist eben ein Unterschied, ob man für zwei oder für hundert Leute kocht. Jeder Tisch ist besetzt.
    Erst beim Limetten-Chili-Sorbet kommt Oskar zum Thema.
    »Angelika Beer ist seit kurzem in Wien.« Er sieht mich bedeutungsvoll an, senkt dann den Blick. Der Name sagt mir nichts. Es ist sein Gehabe, das mich auf die richtige Spur führt. Seine Affäre in Frankfurt. Anwältin Anfang dreißig, schlank, schick, erfolgreich. Sieht selbst in Unterwäsche aus wie ein Model. Ich will mich nicht daran erinnern. Und warum hat er mir nicht erzählt, dass sie da ist? Dass er offenkundig Kontakt zu ihr hat?
    »Ah?«, sage ich bloß.
    »Sie hat in der Frankfurter Kanzlei gekündigt, der Liebe wegen.« Er räuspert sich. »Sie arbeitet jetzt mit Irene zusammen, du weißt schon, meiner früheren Kanzleipartnerin.«
    Das kann wohl nur er eingefädelt haben. Der Liebe wegen also, welcher Liebe wegen?
    »Sie ist mit Jacques Lang zusammen, ihm gehört das pur«, fährt er rasch fort. »Sie muss hier erst Fuß fassen und macht Scheidungen ganz gerne, vor allem, wenn sie die Frau vertreten kann.« Deswegen also hat er mich hierher ausgeführt. Mir geht so einiges durch den Kopf, aber eifersüchtig zu wirken ist das Letzte, was ich möchte.
    »Wo ist Jacques Lang eigentlich? Weißt du, dass er in Wirklichkeit Jakob heißt?«, bemühe ich mich um einen beiläufigen Gesprächston.
    »Wusste ich nicht, aber er ist ein ganz netter Typ.«
    »Schön für sie.« Warum sollte sie sich nicht um Gerdas Scheidung kümmern? Kann sie das überhaupt? Sie ist Deutsche, hat deutsches Recht studiert. Aber jedenfalls ist ihre Partnerin Fischer-Kalnik gut, und wenn Oskar meint … Ich kann mit vergangenen Affären umgehen, ich werde das beweisen.
    »Wir könnten ja einmal gemeinsam hier essen«, schlägt Oskar vor.
    »Gemeinsam? Tun wir das nicht?«
    »Schon. Ich meine: wir beide – und Angelika. Ich glaube, du wirst sie mögen.«
    Bei aller Großzügigkeit, da bin ich mir nicht so sicher.

[ 3 ]
    Als Mädchen sind mir die Straßen hier viel breiter vorgekommen. Ich kurve mit meinem kleinen Fiat durch die Stadt meiner Eltern, versuche mich an Einbahnregelungen zu erinnern und daran, wo die Abkürzung zum Altstadtparkplatz war. Fünfundzwanzigjähriges Maturatreffen. Ich bin nicht besonders gerne zur Schule gegangen, obwohl ich ganz gut war – einmal abgesehen von Mathematik. Vielleicht hat es auch an diesem Typ von Gymnasium gelegen: ausschließlich Mädchen. Ich erinnere mich noch an eine Lehrerin, die uns zu »jungen Damen« erziehen wollte, ich hatte damit gar nichts am Hut, entsprechend schlecht waren meine Betragensnoten. Warum bin ich überhaupt zu diesem Treffen unterwegs? Die meisten meiner Mitschülerinnen habe ich zum letzten Mal bei der zehnjährigen Maturafeier gesehen, und sie sind mir seither nicht abgegangen.
    Mist, die Abkürzung zum Parkplatz gibt es nicht mehr, oder habe ich sie übersehen? Ich wende und bin wieder am Altstadtring.
    Damals haben die meisten mit ihrem Mann und kleinen Kindern geprotzt, ich erinnere mich noch, dass hunderte Fotos die Runde machten, und ich konnte weder die Männer noch die Kinder den früheren Schulkameradinnen zuordnen. Mich haben sie reichlich mitleidig angesehen. »Waaaaas, freie Journalistin???«, hat eine der Streberinnen vergangener Zeiten gesagt. Sie hatte sich auf der Uni einen Professor geangelt, ein paar Kinder bekommen und bearbeitete nun – »wenn mir die Kleinen Zeit lassen« – seine wissenschaftlichen Publikationen. Wahrscheinlich hat sie sie getippt.
    Trotzdem. Ich bin eben neugierig, und so lande ich im Extrazimmer eines Altstadtlokals, das es immer schon gegeben hat. Mehr als zehn, zwölf Frauen sind es nicht, die um den zu großen Tisch sitzen. Einige von ihnen erkenne ich sofort wieder, bei anderen habe ich nicht die leiseste Ahnung. Man schüttelt einander die Hand und küsst Wangen und macht freundliche Bemerkungen über Aussehen, Alter und Wetter. Zum Glück sind auch zwei,

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