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Verschieden - ein Mira-Valensky-Krimi

Verschieden - ein Mira-Valensky-Krimi

Titel: Verschieden - ein Mira-Valensky-Krimi Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Wien/Bozen Folio Verlag
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»Magazin« warte, nähert sich der Chefredakteur. Niemand mag mit ihm Lift fahren, und das hat gar nichts mit seiner Position zu tun. Er schafft es nicht, die Mitfahrer, so wie jeder normale Liftbenutzer, entweder einfach zu ignorieren oder mit ihnen ein selbstverständliches Gespräch anzufangen. Er grüßt und sieht dann ganz offenkundig weg, sucht Decke und Wände ab, starrt auf den Boden, beginnt beinahe lautlos zu pfeifen, richtet sich mit einem kleinen Räuspern die Krawatte, er tut also ganz auffällig so, als sei außer ihm niemand da. Nur, dass ich mir sicher bin: Wenn er wirklich allein im Lift ist, dann bohrt er in der Nase oder furzt.
    Ich steige also mit ihm in den Lift, wappne mich für das seltsame Schauspiel – heute scheint er den Text zur Liftwartung auswendig lernen zu wollen, bevor er dann etwas Interessantes an seinem rechten Ärmel findet. Plötzlich aber, knapp vor der Ankunft, spricht er mich an: »Sie kommen in mein Büro.« Bevor ich noch etwas sagen kann, ist er entflohen.
    »Wann?«, wollte ich fragen, aber so folge ich ihm einfach, nicke seiner Sekretärin 2 zu und sage zu seiner Sekretärin 1: »Er will mich sprechen.«
    Sie winkt mich weiter.
    Ich klopfe an, trete gleichzeitig ein und sehe, dass sein ewig laufender Fiat-TV nicht auf Teletext oder CNN gestellt ist. Es läuft einer jener Privatsender, auf denen man den ganzen Tag Soaps sehen kann.
    »Die Putzfrau«, ruft er und fummelt an der Fernbedienung.
    Jetzt ist CNN da, Chefredakteur-Sender.
    »Sie wollten mich sprechen?«
    Er bleibt neben dem Schreibtisch stehen, üblicherweise sitzt er in seinem ausladenden ledernen Schreibtischsessel, so weit wie möglich nach hinten gekippt, lässig. Was ist los, dass er heute gleich mit zwei seiner typischen Verhaltensweisen bricht? Ich werde nervös.
    »Es geht um die Fotografin, Gerda Hofer.«
    Wahrscheinlich, weil sie den Termin mit Jan Winter verschwitzt hat. Aber warum will er mit mir darüber reden? Vielleicht hat sich der grinsende Laufguru beschwert, der Chefredakteur kennt ihn sicher persönlich.
    »Ich muss Sie bitten, sich nicht in diese ungustiöse Sache einzumischen.«
    Ich stehe auf der Leitung.
    »Na diese Scheidung. Ich weiß zufällig, dass Sie diese Gerda Hofer unterstützen. Wissen Sie eigentlich, was sie ihrem Mann angetan hat?«
    »Wie bitte?« Ich stelle mich nicht dumm, mir fällt momentan wirklich nichts ein.
    »Ich kenne Dr. Hofer gut, er ist ein hervorragender Arzt und ein äußerst liebenswerter Mensch. Er ist am Ende, am Boden zerstört durch die Eskapaden seiner Frau.«
    »Er hat Sie angerufen …«
    »Wir sind einander zufällig begegnet, er war wohl auf Hausbesuch, gleich bei dem Kaffeehaus, in dem ich verkehre.«
    Verkehre! Gleich wird mir schlecht. »So ein Zufall«, sage ich spöttisch.
    »Ich überlege ernsthaft, sie nicht mehr zu beschäftigen – aus moralischen Gründen.«
    Was nur hat ihm der Arzt erzählt?
    »Warum?«
    »Warum?« Er redet sich in Rage. »Sie vernachlässigt Mann und Kinder, und nicht nur das, auch die Praxis leidet, da sich Dr. Hofer nun ja auch um den Haushalt kümmern muss, sie treibt sich nächtelang herum, fängt mit jedem ein Verhältnis an, den sie für uns fotografieren darf …«
    »Und Sie glauben das?«
    »Ich wüsste nicht, warum Dr. Hofer lügen sollte.«
    »Vielleicht weil es um die Vorbereitung einer Scheidung geht? Oder um Rache? Um gekränkte Eitelkeit?«
    »Unsinn.«
    Mir kommt eine Idee: »Gibt es nicht auch Fotos von Ihnen und Gerda?«
    Er zuckt zusammen. »Ach was. Das ist doch ein einziges Missverständnis, das habe ich ihrem Mann auch schon gesagt, ich habe nach etwas gegriffen, das hinter ihr, am anderen Ende des Tisches lag, und das hat dann ausgesehen wie eine Umarmung – an der an sich ja auch noch nichts Schlimmes wäre. Eine väterliche Umarmung.«
    »Gerda ist exakt zwei Jahre jünger als Sie. Und ihr Mann hat diese Erklärung akzeptiert?«
    »Ich denke schon. Zuerst war er naturgemäß etwas misstrauisch, aber dann … Ich muss ihm eben beweisen, dass an der Sache überhaupt nichts dran ist und dass ich ihr Verhalten aufs Äußerste missbillige.«
    Daher weht also der Wind. Der eifersüchtige Dr. Hofer ist auf den Chefredakteur sauer, und dieser fürchtet jetzt, in die Scheidung hineingezogen zu werden. Also versucht er Gerda loszuwerden. So nicht.
    Ich lächle ihn freundlich an, Gesichtsgymnastik à la Jan Winter, doch mein Inneres verändert sich dadurch überhaupt nicht zum Positiven. »Es ist eine

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