Verschieden - ein Mira-Valensky-Krimi
herumstottert, dass er sehr glücklich sei, mich zu heiraten, und dass er hoffe, dass sie damit einverstanden seien. Der Anzug steht ihm übrigens recht gut, muss ich zugeben.
»Sehr repräsentativ«, flüstert der Verkäufer.
Das sehe ich nicht so. Als Oskar wenig später die Verkäuferinnen im ersten Stock sieht, begreift er zum Glück sofort, dass das mit ihnen und mir und einem z & K-Kostüm nichts werden kann. Vielleicht will er sich auch bloß weitere Peinlichkeiten ersparen. Jedenfalls verschieben wir mein Kostüm auf ein anderes Mal.
SMS-Signal, gerade als wir das Z & K verlassen wollen.
Ich denke an Vesna oder Gerda, aber es ist keine der beiden. Eine mir unbekannte Nummer. Ich sehe nach. »Kann ich dich sehen? Bruno.«
»Ah, das ist Vesna«, rufe ich zu Oskar hinüber, der gar nicht danach gefragt hat. Ich werde die SMS ignorieren, dann begreift Bruno schon. Eigentlich ein wenig feige von mir, aber … Es war ein sehr netter Abend, nur dann ist es eben falsch gelaufen. Nein, eigentlich ganz richtig gelaufen. Irgendwie habe ich ein schlechtes Gewissen ihm gegenüber. Er muss sich ganz schön dumm vorkommen. Zurückgewiesen … männlicher Stolz … Andererseits: Wie wäre es, wenn ich gerade mit jemandem sozusagen an der Bettkante stünde und der rennt dann mit einer fadenscheinigen Ausrede davon? Auch mein weiblicher Stolz hätte einen Kratzer. Wenn da nicht die Hochzeit wäre, würde ich ihn noch einmal treffen? Vielleicht. Um mich zu entschuldigen und … – Wofür sollte ich mich eigentlich entschuldigen? Um ihm zu erklären … Vielleicht auch nur, um mehr über Peter herauszukriegen.
»Was will sie?«, fragt Oskar.
»Ach, wir müssen nur unseren Putztermin verschieben«, sage ich so beiläufig als möglich.
Am nächsten Vormittag kommt Gerda an meinen Redaktionsschreibtisch und sieht sich um.
»Da hört niemand was«, sage ich leise, »zum Glück sind die anderen Schreibtische weit genug entfernt, und mein Dschungel hält auch einiges an Schallwellen ab, habe ich schon getestet.«
Sie seufzt und lässt sich auf den Sessel nieder. Sie hat tiefe Ringe unter den Augen.
»Ich war gestern noch in der Ordination«, erzählt sie. »Ziemlich schlimm, ich merke, wie feindselig sie sind. Ich weiß nicht, ob sie mich für die Mörderin halten, aber … Jedenfalls läuft alles weiter wie bisher, und ich habe mit dem Hinterlassenschaftsgericht vereinbart, einen zweiten Arzt zu suchen.«
Ich nicke.
»Ich habe mir die Personalunterlagen angesehen, diese Deichmann hat sich nicht getraut, mir zu widersprechen, auch wenn sie es gerne getan hätte. Und seltsam: Das Dienstverhältnis von Nicole Frohner wurde tatsächlich gekündigt, allerdings einvernehmlich. Eine Woche vor seinem Tod. Aber sie kann mit dem Mord nichts zu tun haben, sie ist sehr nett, beinahe etwas … harmlos, naiv oder so, wenn es ums praktische Leben geht. Ich glaube, sie ist sehr behütet aufgewachsen und dann kam plötzlich der Konkurs ihrer Eltern und alles war anders. Helmut hat sie wegen irgendetwas behandelt, ich glaube, es war eine verschleppte Bronchitis, damals hatte sie eine Halbtagsstelle bei dieser Textilkette, jetzt fällt mir der Name nicht ein, na du weißt schon, die es überall gibt, und sie hat nebenbei Nachhilfeunterricht gegeben. Aber was das Verhältnis mit meinem Mann angeht, da hat sich Philipp sicher getäuscht.«
»Hast du ihn danach gefragt?«
»Nein, habe ich nicht, es war mir irgendwie peinlich, und er ist ohnehin so durcheinander und aufgewühlt, auch wenn er auf stark und cool macht, das Ganze nimmt ihn schon sehr mit. Er war immer ein ausgezeichneter Schüler, die letzten Schularbeiten hat er alle verhaut.«
»Du solltest ihn trotzdem fragen.«
»Vielleicht. Ich habe jedenfalls die Deichmann nach dem angeblichen Streit meines Ex mit Nicole Frohner gefragt, aber sie hat gemeint, das seien Interna. – Sollte ich weiterhin etwas zu sagen haben, die werfe ich sicher raus.«
»Und die andere Sprechstundenhilfe?«
»Die hat bloß geschaut, als wenn es donnern würde. Ich habe sie dann später unter ihrer Privatnummer angerufen, und sie hat gesagt, sie habe damals nicht Dienst gehabt und ansonsten tue ihr alles so leid, was passiert ist.«
Vesna hat seit gestern genug Material gegen ihren Krankenstand-Schwindler beisammen. Kurz vor Mitternacht ist er Richtung Innenstadt aufgebrochen und war dort bis fast fünf in der Früh mit Freunden in einem Club. Vesna hat Fotos von vier verschiedenen Ausflügen ins
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