Verschleppt
von Noah, dachte sie. In der Ecke stand ein Bett mit blauer Bettwäsche, verziert mit Autos. Sara schmunzelte und betrat langsam das Zimmer. Die Tapete war gelb gestrichen. Sara fand es schrecklich. Mehrere Regalbretter hingen an der Wand, darauf etliche Kinderbücher, die Sara von Noah bekannt vorkamen. Ihr Blick streifte weiter durch den Raum. Am Fenster stand ein Schreibtisch, Malblöcke lagen darauf, daneben ein Stapel mit selbstgemalten Kunstwerken. Sara nahm das oberste Bild in die Hand und musterte es. Ein Feld und mehrere Kinder, die Baseball spielten. Am Rand standen Menschen, die jubelten – das glaubte Sara zumindest zu erkennen, weil sie die Arme hochrissen. Sie lächelte und verharrte einen Moment, während sie sich eine Strähne aus dem Gesicht strich. Sie legte das Bild wieder zu den anderen. Sie ging zu einem Regal, das unmittelbar daneben stand. Unzählige Spiele lagen dort drin – alle ordentlich sortiert. Es war aufgeräumt und sah nicht aus wie ein typisches Jungen-Kinderzimmer. Wenn sie da an Noahs Zimmer dachte, wo sie kaum einen Fuß auf den Boden setzen konnte, war sie schon verwundert, wie ordentlich Bryan war. Was Sara sehr stutzig machte, war, dass der Junge keinen Computer oder Ähnliches besaß. Er war zehn und in der heutigen Zeit besitzen 10jährige teilweise schon Handy und Computer. Sie zuckte mit den Achseln und überlegte, ob sie Noah ein Handy kaufen sollte. Sie schüttelte mit dem Kopf. „Sara, er ist erst 7!“, sagte sie sich selbst. Sie ging einmal durch das komplette Zimmer, schaute unterm Bett, in den Schränken und Schubladen, fand aber nichts Auffälliges. Sie seufzte und ging wieder ins Erdgeschoss. Ihr war klar, dass sie hier nichts mehr ausrichten konnte.
Es war mittlerweile Mittag, das Phantombild müsste langsam fertig sein. Sara beschloss, ins Krankenhaus zu fahren. Vielleicht konnte sie dort etwas in Erfahrung bringen. Sie verließ das Haus, stand auf dem Bürgersteig und blickte sich um. Es war eine Art von Wohngegend, in die die Menschen ziehen, um dem Bösen aus der Großstadt aus dem Weg zu gehen und sie dummerweise annahmen, dass Geld sie vor jeder Gefahr schützen könnte. Niemanden rechnete damit, dass das Böse einen hier findet. In ihr stieg plötzlich ein mulmiges Gefühl auf, sie fühlte sich beobachtet, ihr war ganz unwohl. Sie blickte sich um und konnte gerade noch erkennen, wie ein Auto mit erhöhter Geschwindigkeit um die Ecke bog. Sie konnte nicht sehen, was es für ein Fabrikat war. Sie atmete tief ein und drehte sich einmal um ihre eigene Achse. Die Sonne funkelte vom Himmel und Sara begann zu schwitzen. Auf der anderen Straßenseite entdeckte sie lediglich eine Nachbarin, die Blumen in ihrem Garten einpflanzte. Die Frau winkte ihr freundlich zu, Sara lächelte sie nur schwach an. Sie stieg schließlich in ihren Wagen und fuhr los, das ungute Gefühl blieb aber.
Kapitel 11
Im Krankenhaus angekommen, kam ihr Lilly auf dem Parkplatz entgegen. Es liefen mehrere Menschen durcheinander, Lilly war genervt, weil ein Mann sie anrempelte, als er eilig zum Eingang stürmte. Die Sonne schien ihr ins Gesicht und sie kniff die Augen zusammen. Dadurch entstanden leichte Krähenfüße um ihre Augenwinkel, die sie aber nicht älter aussehen ließen. Sie trug eine weite Khakihose mit Sneakern und einen Kapuzenpulli. Sie sah sehr sportlich aus. „Hallo Sara“, sagte Lilly. „Hier, ich hab es. Das Phantombild.“ Sara reichte ihr ungeduldig die Hand. „Her damit.“ Lilly gab es Sara, die es genau betrachtete. Es war ein absoluter Durchschnittstyp darauf zu sehen. Dunkle kurze Haare, zwischen 45 und 55 Jahren, helle Haut, gepflegtes Erscheinungsbild, tief sitzende Augen, schmale Augenbrauen und ein voller Mund. Die Gesichtsform war eher eckig. „Na toll, so sieht ungefähr die halbe Welt aus“, beschwerte sich Sara. „Frau Gore hat sich wirklich Mühe gegeben. Mehr haben wir nicht. Sollen wir trotzdem damit an die Presse?“, fragte Lilly. „Nein, noch nicht. Lass uns erst zurück ins Büro fahren.“
Da Lillys Auto in der Werkstatt stand, war sie mit dem Taxi zum Krankenhaus gefahren. Sara nahm sie jetzt mit. Sie saßen im Wagen und fuhren auf den Highway. Lillys Handy klingelte. Sie sah auf das Display und steckte es wieder in ihre Jackentasche. Sie wirkte nervös. Sara warf ihr einen Seitenblick zu. „Du kannst ruhig drangehen. Auch wenn es privat ist. Mich stört das nicht.“ Lilly schüttelte nur den Kopf. „Nein, das war nur ein Freund. Ich
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