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Verschleppt

Verschleppt

Titel: Verschleppt Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Petra Richartz
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noch einen Schluck von ihrem Kaffee und dachte an Hannah. Sie studierte Jura, kam aus einem guten Elternhaus und manchmal machte sie einen etwas naiven und unselbständigen Eindruck. Das störte Sara aber nicht; was sie störte war, dass Hannah unglaublich hübsch war. Diese Tatsache hasste sie. Hannah achtete auf sich, trieb regelmäßig Sport, lachte viel und war ein Hingucker. All das verkörperte Sara auch einmal, aber seit Jahren zog sie sich immer weiter zurück und liebte mittlerweile Kleidung, in die sie eigentlich zweimal reinpasste. Ihre Augen hatten das letzte Mal vor über einem Jahr einen Kajalstrich gesehen, von Make-up ganz zu schweigen. Ihr Lieblingsessen war Tiefkühlpizza. Durch den dauernden Stress wirkte sie zunehmend ausgemergelt – das hielt ihr Kelly immer wieder vor und Sara wusste, dass sie recht hatte. „Entschuldigung. Ist der Platz hier noch frei?“ Sara wurde aus ihren Gedanken gerissen. Eine ältere Dame stand mit ihrem Tablett vor ihr und lächelte sie fragend an. „Hm, natürlich. Ich wollte eh gerade gehen.“ Sara trank ihren Becher aus, packte ihren Donut in die Tasche und verließ den Schnellimbiss.

    Sara eilte über die Straße und stieg in ihren Wagen. Sie fuhr nochmal zu dem Haus der Familie Gore. Während der Fahrt biss sie immer wieder gedankenverloren von ihrem Donut ab. Hinter ihr hupte ein Auto, die Ampel war auf Grün umgesprungen. „Arschloch“, brummte sie vor sich hin und schaute mürrisch in den Rückspiegel, bevor sie weiterfuhr. Es herrschte viel Verkehr und Sara brauchte einige Minuten, bis sie am Haus war. Sie parkte dieses Mal direkt vor dem Anwesen. Es war eine makellose Straße mit makellosen Häusern nebeneinander. Sara stieg langsam aus und blickte sich um. Das Haus der Gores war zwar nicht das größte in dieser Straße, doch hob es sich durch einige feine Details von seinen stattlichen Nachbarn ab. Eine Wisteria rankte an der Häuserfassade entlang und schien das Haus mit ihren windenden Schmetterlingsblüten fest im Griff zu haben. Es sah auf der einen Seite imposant aus, auf der anderen Seite machte es Sara Angst. Plötzlich ein Kinderschrei, Sara zuckte zusammen, als wäre ein Geist hinter ihr. Sie riss ihren Körper in Sekundenschnelle herum. Entwarnung. Kinder spielten mit einem Ball am gegenüberliegenden Nachbargrundstück und starrten Sara neugierig an. Sara lächelte den kleinen Jungs zu und konzentrierte sich dann auf das Haus der Familie Gore. Vor der Einfahrt flatterte immer noch das gelbe Absperrband. Sie stellte sich vor, wie Bryan lachend mit seinem Ball in der Einfahrt gespielt hatte. Sie fragte sich wiederholt, wie es jemand schaffen konnte, den Kleinen unbemerkt von da zu entführen. Sie ging langsam zum Absperrband, hielt es hoch und bückte sich, damit sie drunter durchkam. Sie durchforstete die Einfahrt, jeden gefühlten Zentimeter auf der Straße, aber ihr fiel einfach nichts auf. Der Rasen war akkurat gemäht und die Blumen blühten. Kein Unkraut, nichts. Es war ein disziplinierter Garten, in dem keinerlei Unordnung gestattet war. Von Lilly wusste Sara, dass die Gores einen Gärtner hatten, der offenkundig einen guten Job machte.

    Das Haus war versiegelt, aber mit Regeln hatte es Sara noch nie so genau genommen und daher ignorierte sie diese Tatsache. Mit langsamen Schritten betrat sie das Haus, ging achtsam durch den Flur und schaute in jedes Zimmer. Unten befanden sich Küche, Wohnzimmer und Gästebad. Das Haus zeichnete klassische und klare Linien und die hellen Farben verliehen dem Gesamtbild einen Hauch vom mediterranem Flair. Die großen bodentiefen Fenster im Wohnzimmer brachten viel Licht in den Raum. Eine Tür führte direkt zur Terrasse und zum anliegenden Garten. Sara machte den Vorhang ein Stück zur Seite und blickte nach draußen. Auch hier hatte der Gärtner perfekte Arbeit hinterlassen. Nur ein Swimmingpool fehlte, dachte Sara. Sie ging jeden Raum noch einmal genau durch. Jedes einzelne Zimmer, schaute in jeden Mülleimer. Nichts. Es war zum Verrücktwerden, ein scheinbar sinnloses Unterfangen. Sie ging ins Obergeschoss, wo sich das Elternschlafzimmer, ein Gästezimmer und Bryans Kinderzimmer befanden. Ihr Weg führte sie geradezu in das Zimmer von Bryan. Als sie unmittelbar davorstand, bekam sie ein ungutes Gefühl. Sie hasste diese Momente.

    Sie öffnete langsam die Tür und blieb eine Weile im Rahmen stehen. Eine unheimliche Stille herrschte. Sie blickte sich um. Es war ein großes Zimmer, größer als das

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