Verschleppt
Händen.
Maier machte einen Sprung nach vorn, umfasste ihre Taille und benutzte die Frau als Schutzschild. Streckte den rechten Arm mit der Sig vor, zielte und drückte ab.
Mit einer Geschwindigkeit von dreihundert Metern pro Sekunde bohrte sich ein 9-mm-Geschoss zwischen die Schulterblätter von Pawel Radostin, der augenblicklich in sich zusammensackte. Aus seinem Rücken spritzte das Blut an der Holzverkleidung hoch.
Trotz Schalldämpfer war der Schuss nicht ganz lautlos gewesen. Anwohner konnten ihn durchaus gehört haben.
Maier trat die Tür hinter sich zu, schleifte die Frau wie eine Lumpenpuppe mit, zielte noch einmal und gab einen zweiten Schuss ab.
Die Kugel zerrte wie eine unsichtbare, messerscharfe Klaue an Pawels Gesicht. Es eröffnete sich der Blick auf seinen Wangenknochen und verschiedene weiße Knochensplitter mit Fetzen rohen Fleisches. Durch den Einschuss wurde sein Körper ruckartig hochgerissen, um dann wie in Zeitlupe seitlich an die blutverschmierte Holzverkleidung zu sinken.
61
Es war Maxim Kalojew. Er trug einen schwarzseidenen Bademantel, sein kurzes, blondes Haar war feucht, und er duftete stark nach Shampoo und Aftershave, als käme er gerade aus der Dusche.
Sie hätte ihn aus Tausenden erkannt. Sie hatte ihn zwar im April letzten Jahres nicht selbst verhört, ihn jedoch mehrmals auf den Fluren ihrer Dienststelle vorbeigehen sehen – grundsätzlich mit ein oder zwei bewaffneten Kollegen im Schlepptau.
Sein Gesicht würde sie nicht vergessen. In seinen Zügen lag eine Härte, wie sie sie nur selten gesehen hatte, und in seinen Augen ein düsterer Glanz, der vermuten ließ, dass er weit gefährlicher war, als alle glaubten.
Diese kalten Augen sahen sie nun an. »Was soll das, verdammt?« Er sprach Niederländisch mit slawischem Akzent. Atmete ihr schnaufend ins Gesicht. Versetzte ihr dann einen so heftigen Schlag in den Magen, dass sie erneut zusammenklappte. Galle schlackerte ihr aus dem Mund.
Er zerrte ihr die Biwakmütze vom Kopf, wobei er ihr ein Büschel Haare ausriss, holte noch einmal aus und schlug ihr mit der flachen Hand ins Gesicht. »Also, du Schlampe? Was hast du hier zu suchen?«
Blut. Es blutete. Etwas blutete.
Diese Art von Situationen hatten sie so oft durchgespielt. Bei der Ausbildung, bei zahllosen Auffrischungskursen. Sie war gut darin gewesen: Verhalten im Konfrontationsfall. Sehr gut sogar. Klassenbeste. Warum also konnte sie jetzt nicht klar denken? Sich an die richtigen Handgriffe erinnern und sie anwenden?
Vielleicht weil damals, beim Unterricht in den klinischen Trainingsräumen, keine Rede von nackter Todesangst gewesen war, weil es zu keinen Gewaltexzessen gekommen war. Die rohe Wucht von Maxims Schlägen und die Schnelligkeit, mit der sie aufeinander folgten, wirkten betäubend. Ihre Nervenenden surrten, und sie schnappte nach Luft.
» Rede endlich, du blöde Schlampe!«
Sie hörte nur noch ein gellendes Pfeifen. Ächzend holte sie Luft durch den Mund. Blutspritzer landeten auf dem hellen Fußboden.
»Wer bist du, verdammt? Wer hat dich geschickt?«
Er ließ sie los, und sie stürzte zu Boden. Rollte von ihm weg. Versuchte, zum Flur zu kriechen.
Er stellte einen Fuß auf ihren Rücken.
Dann fiel der Schuss.
62
»No! Don’t!« Mit verbissener Miene entrang sich die Blondine seinem Griff. Sie holte mit den vollen Plastiktüten kräftig aus, versuchte sein Gesicht zu treffen.
Ihre Reaktion kam völlig unerwartet. Maier wehrte sie ab, indem er sich den linken Arm vors Gesicht hielt. Hielt die Waffe, die er mit der Rechten fest umklammerte, absichtlich tief, um die Frau nicht in einem Reflex niederzuschießen.
Er durfte sie nicht treffen, ihr nicht wehtun, die Blondine reichte ihm kaum bis zu den Schultern, und ihre Taille konnte er sozusagen mit den Händen umfassen. Die Schläge, die sie ihm verpasste, spürte er nicht einmal. Das Mädchen war nur verdammt hinderlich.
Eine der Plastiktüten riss auf, und der Inhalt – Schaumstoffbehälter mit lauwarmer Erdnusssoße und kleinen, klebrigen Fleischspießen – verteilte sich über den Terrazzo-Boden.
» Calm down , ruhig!«, schrie er.
Mitten in seiner ratlosen Bestürzung sah er einen kräftig gebauten, dunkelhaarigen Kerl auf sich zukommen. Sein Blick wirkte fanatisch, und er hielt einen Baseballknüppel in den Händen.
Maier hob die Pistole. Die Blondine zwängte sich fluchend und tobend zwischen die beiden, hieb wie eine tollwütige Katze nach seinem zum Schießen
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