Verschleppt
und her.
Ihm fiel auf, wie schnell sie sich fasste und ihn wieder mit festem Blick ansah. Weder ängstlich noch provozierend, sondern kühl. Ausgesprochen professionell.
»Mein Name ist Joyce Landveld.« Ihre Worte klangen leicht verzerrt, weil er ihre Kehle in eine unbequeme Position zwängte. »Ich arbeite für die Kripo, Einheit Brabant Zuid-Oost. Du machst einen großen Fehler.«
Wadim ließ sie nicht los. »Ach ja?«
»Hör zu«, fuhr sie fort. Sie versuchte zu schlucken, konnte aber nicht. Ihre Stimme hörte sich rau an. »Wir konnten Susan Staal aus einem Bordell in Eindhoven befreien, nachdem wir ein paar Infos von einem Informanten bekommen hatten … Robby. Robby Faro.«
»Robby«, wiederholte Wadim.
»Ja, Robby … er hat uns ein Foto geschickt. Und uns später erzählt, dass ein gewisser Wadim sie da untergebracht hat. Ein Auftragsmörder. Hör mal, Wadim, gib’s auf, wir wissen zu viel. Das hier bringt nichts. Meine Kollegen können jeden Augenblick hier sein. Noch hat es keine Toten gegeben. Noch ist es nicht zu spät. Mach’s nicht noch schlimmer als es schon ist.«
Er ließ ihre Haare los und fing an, im Raum auf und ab zu tigern. Eine Polizistin, sogar eine von der Kripo – auszuschließen war es nicht. Es erklärte zumindest ihre Vorliebe für Walther-Pistolen. Fakt war, dass die Leute ihre Lügen immer aus Bruchstücken der Wahrheit zusammensetzten, und zwar erst recht, wenn sie diese Lügen jemandem schnell und unter großem Druck auftischen mussten. Sie komponierten aus Wahrheitsbruchstücken eine Lüge, die genügend Berührungspunkte mit der Wirklichkeit hatte, um glaubwürdig zu erscheinen. Provisorisch, ausreichend, um weniger gut geschulte Leute in die Irre zu führen.
War sie Polizistin? Ja, das glaubte er.
Hatte sie Robby gesprochen? Ja.
War Robby ein Verräter gewiesen, ein dreckiger Informant?
Klar, warum nicht.
Hatten sie Susan befreit? Ja.
Waren ihre Kollegen bereits unterwegs …? Nein.
Es war fast eine Stunde verstrichen, seit er Joyce Landveld von der Dachterrasse aufgelesen hatte. Es würde niemand kommen.
Verdammt, allmählich wurde ihm die Sache klar. Robby hatte Susans Identität der Polizei durchgegeben. Dieser Scheißrobby war der Einzige in dem ganzen beschissenen Bordell, der ihren Namen gekannt hatte, er hatte mit ihrem Handy geholfen. Robby musste mit Joyce gesprochen haben.
Aber irgendwie hatte sie dann anscheinend beschlossen, Sil Maier zu informieren und Susan Staal zusammen mit ihm zu befreien – statt mit ihren Kollegen. Für eine Polizistin war das ein geradezu widernatürliches Verhalten. Also lief nun alles auf eine Frage hinaus, mit deren Beantwortung er alles wüsste, was er brauchte, bevor er einlöste, was er seinem Bruder geschworen hatte: Warum?
Er musste es wissen.
»Gib’s auf, Wadim«, hörte er sie sagen, wobei sie ein Schluchzen unterdrückte. »Lass mich frei, steck das Messer weg. Meine Kollegen werden …«
Ihr Kopf schnellte nur ein kleines bisschen weiter zurück als beim ersten Mal. Er hatte sie an genau derselben Stelle getroffen, aber diesmal nicht mit dem Handrücken, sondern mit der geballten Faust. »Beleidige mich nicht mit deinem Geschwätz«, sagte er und drehte sich von ihr weg. »Du bist alleine hier.«
Er nahm Joyce’ kleine Walther vom Esstisch und war mit ein paar Schritten bei Maier.
Der saß regungslos da. Die Ausläufer des nassen Ts auf seinem Rücken waren aufeinander zugekrochen und bildeten nun einen dunklen Fleck, der fast seinen ganzen Rücken bedeckte.
Wadim trat hinter ihn und kontrollierte mechanisch Maiers provisorische Fesseln. Anscheinend hatte er probiert, sich zu befreien. Die Fesseln hatten ihm in die Handgelenke geschnitten, sie bluteten. Es hatte nicht geholfen.
Wadim wartete, bis Joyce ihren Kopf wieder aufgerichtet hatte, und ging dann langsam auf sie zu. »Vor einem Jahr, zwei Wochen und drei Tagen habe ich geschworen, dass dieser Tag kommen würde. Dieser Augenblick. Ich habe davon geträumt, ich habe knallhart dafür gearbeitet, ich habe Kosten dafür auf mich genommen. Heute bringe ich Sil Maier um. Fragt sich nur noch: wie?«
Er trat an ihre Seite. »Erzähl mir, was du hier zu suchen hast und …« Er zielte mit der Pistole auf Maiers Kopf und knickte die Hand nach oben ab. »Peng …« Brachte sein Gesicht nahe an ihres, roch die Angst in ihrem Atem, sah die Panik aus ihren Poren tropfen. »Aber noch eine Lüge aus deinem Maul«, sagte er, »und ich schneide ihm den
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