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Verschleppt

Verschleppt

Titel: Verschleppt Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Verhoef & Escober
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irgendwo zwischen ihrer Schlafzimmertür und dem Bild mit den Koikarpfen.
    Dort war es schön und warm.
    Susan lebte. Sie war in Sicherheit.
    Ihr glockenhelles Lachen wirkte ansteckend.
    Der Schmerz war erträglich.
    Der Schmerz erreichte ihn nicht.
    In dieser Welt wollte er bleiben, sich von der Wirklichkeit abschotten, nicht hören, was der Russe ihm in gebrochenem Englisch zuflüsterte, mit viel Entschlossenheit und Fanatismus in der Stimme, die ihm deutlich machten: Er würde dies nicht überleben.
    »Wir sollten dafür sorgen, dass du nicht mehr weglaufen kannst«, hörte er Wadim sagen. »Dass du schön hierbleibst.«
    Aus dem Augenwinkel sah er den Russen zu einer Reisetasche gehen und den Reißverschluss öffnen.
    Schweiß strömte Maier übers Gesicht, lief zwischen den Schulterblättern hinunter, er roch seinen eigenen Angstschweiß. Er wollte nicht sehen, was Wadim da zum Vorschein brachte, nicht wissen, was er damit anstellen würde, doch etwas in ihm, das stärker war als er selbst, registrierte es trotzdem.
    Wadim hielt den Baseballschläger in beiden Händen, war mit ein paar Schritten bei ihm und holte wie ein echter Profi mit dem Ding aus, indem er sein Körpergewicht ganz auf das eine Bein verlagerte, um dann mit dem anderen vorzutreten und dabei den Oberkörper mitzuschwingen. Das harte Aluminium traf Maiers Unterschenkel mit übelkeiterregender Wucht.
    »Homerun« , lautete die leise Feststellung.
    Erst war kein Schmerz zu spüren. Eher ein Taubheitsgefühl, als hätte der Schlag seine Nervenbahnen ausgeschaltet.
    Dann erreichte ein leises Knacken seine Gehörgänge.
    Der brennende Schmerz kam zusammen mit der Erkenntnis, dass die langen dünnen Knochen seines Schienbeins nun aus scharfen Hälften mit gezähnten Rändern bestanden, die aneinanderscheuerten und über seine Nervenenden schabten.
    Er wollte dem Russen den Triumph seiner Todesangst und seines Schmerzes nicht gönnen, er wollte es nicht, aber er konnte nichts dagegen tun, dass sein ganzer Körper bebte und zitterte, dass sein Gesicht leichenblass wurde und sich verzerrte und dass seiner Kehle ein animalischer Schrei entfuhr, effektiv gedämpft von mehreren Schichten Klebeband, die über Mund und Wangen gezogen waren. Hinter dem Rücken gruben sich seine Fingernägel tief in seine Handballen.
    »Schön«, hörte er den Russen sagen, ohne eine Spur von Gefühl. »Nachdem du allmählich kapiert haben dürftest, warum du hier sitzt, hätte ich gern noch eine Antwort auf die folgende Frage.« Wadim ging vor ihm in die Hocke. »Wer hat dir geholfen?«
    Maier hob den Kopf. Orientierte sich an der Wand gegenüber, suchte mit dem Blick das Bild, schwenkte nach links und zoomte heran. Sie war noch da.
    Sie war in Sicherheit. Sie lächelte ihm sogar zu.
    Wenn er hier und jetzt seinen letzten Atemzug tun sollte, in dieser Wohnung, in der er die besten Augenblicke seines Lebens verbracht hatte, zu blöd dazu, das zu begreifen und zu bewahren, dann geschah es ihm recht. Dann war dies sogar die einzig mögliche Auflösung, die Summe seiner zahllosen Aktionen, die Endstation, auf die all seine entgleisten Züge unbewusst zugerast waren, in immer schnellerer Fahrt.
    Es erschien ihm folgerichtig. Wadim konnte mit ihm machen, was er wollte. Er musste es sogar tun: dem Ganzen ein Ende bereiten. Es passte. So schloss sich der Kreis.
    »Hör zu, Freundchen, sterben wirst du sowieso, aber vielleicht wird es eine weniger schmerzhafte und langwierige Angelegenheit, wenn du mir erzählst, wie du dahintergekommen bist, wo Susans Versteck war. Wer hat dir das verraten?«
    Susan war bei Joyce, in Sicherheit.
    Ihre Mutter war auf dem Weg.
    Sie würden sich um sie kümmern.
    Beide.
    Alles würde gut werden, wenn er nicht mehr da war.
    Nach der Begegnung mit seinem Vater hatten sich viele Puzzlestücke zu einem Ganzen zusammengefügt. Als er zu dem Parkplatz zurückgegangen war, wo Joyce ihn abgefangen hatte, war er entschlossen gewesen, sein Leben komplett über den Haufen zu werfen, seine unbändigenden Energien künftig einzusetzen, um das böse Blut in seinen Adern zu bekämpfen und sich bewusst für ein positives Leben zu entscheiden.
    Zusammen mit Susan.
    Jetzt wurde ihm klar, dass es niemals so bestimmt gewesen war. Nicht ihm. Die Einsicht kam zu spät.
    »Wer?«, hörte er den Russen schreien. Wadims Atem strich ihm über das Gesicht.
    Maier grinste. Er bekam Zuckungen, seine Schultern bebten, mit dem Blick folgte er einem Schleimfaden, der ihm aus der Nase

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