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Verschleppt

Verschleppt

Titel: Verschleppt Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Verhoef & Escober
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und Schulter abwechselnd vom Boden hochdrücken und sich auf diese Weise ein Stückchen nach vorne schieben. Allerdings höchstens zehn Zentimeter, mehr nicht. Ihre Beine waren an Knien und Fußgelenken stramm aneinandergebunden, und die Füße waren zusätzlich auf dem Rücken an die Hände gefesselt. Nicht mit einem Strick oder Klebeband, sondern mit dünnen Plastikstreifen, die eigentlich für das Fixieren von Kabeln und Drähten gedacht waren. Kabelbinder – Sil hatte auch stets einen Beutel davon in seinem Rucksack gehabt. Jetzt waren sie an einem vertikalen Rohr befestigt, das an einer unverputzten Wand entlangführte. Wenn Susan die Hände so weit wie möglich ausstreckte, konnte sie die abgerundete Unterseite eines Heizkörpers ertasten. Sie hatte an dem Rohr zu ziehen versucht, um festzustellen, ob es nachgab, aber es bereitete ihr bloß Schmerzen. Bei jeder Bewegung schnitt das Plastik tiefer in ihr Fleisch.
    Sie wusste mit Sicherheit, dass sie den Mann, der sie überfallen hatte, nie zuvor gesehen hatte. Er war unwesentlich größer als sie selbst und hatte eine schwer zu beschreibende Haarfarbe, zwischen aschblond und grau, sehr kurz geschnitten, sodass die Kopfhaut durchschimmerte. Ein paar nicht sehr ausgeprägte Falten in dem ansonsten markanten, straffen Gesicht erschwerten es, sein Alter richtig einzuschätzen. Er konnte dreißig Jahre alt sein, vielleicht aber auch fünfzig. Gesprochen hatte er bislang nicht viel, bloß ein paar Brocken Englisch und gebrochenes Niederländisch mit einem eher türkischen oder russischen Akzent. Die beiden Sprachen hatte sie noch nie richtig auseinanderhalten können.
    Der Eindringling hatte sie gezwungen, die Wohnung wieder zu verlassen und sich hinter das Lenkrad eines Opel Astra zu setzen. Er selbst hatte auf dem Beifahrersitz Platz genommen. Sie waren aus der Stadt hinausgefahren, über die A2 nach Eindhoven und weiter in Richtung deutsche Grenze, dann sollte sie in ein Waldstück abbiegen.
    Dort war es geschehen.
    Sie hatte versucht wegzukriechen, ihn angefleht, sie gehen zu lassen, ihm zugebrüllt, dass sie ihn gar nicht kannte und was er eigentlich von ihr wollte – er hatte kein Wort gesagt. Mit ausdrucksloser Miene hatte er auf sie eingeprügelt, bis sie das Bewusstsein verloren hatte.
    Zu sich gekommen war sie in kompletter Finsternis, umgeben von Ölgestank, Benzinschwaden und Auspuffgasen. Unregelmäßige Erschütterungen. Ein Kofferraum. Zu diesem Zeitpunkt hatte sie schon den Sack über dem Kopf gehabt, im Nacken zusammengeschnürt und mit Klebeband dort fixiert. So fühlte es sich zumindest an, wenn sie den Hals lang machte und den Unterkiefer so weit wie möglich vorschob: wie festgeklebt. Es konnte eigentlich nur Tape sein.
    Wider besseres Wissen hoffte sie, dass irgendjemand kommen, sie von ihren Fesseln befreien und hier rausholen würde. Eine Polizeieinheit oder die Armee. Eine Reinemachefrau oder ein Fensterputzer. Das A-Team oder Superman. Schließlich war sie nicht zufällig hier. Es gab einen Grund.
    Ihr Entführer hatte einen Plan. Zumindest machte er stark diesen Eindruck. Das war kein durchgeknallter Irrer, sondern jemand, der genau wusste, was er tat.
    Das machte die Sache noch viel grausiger.
    Susan war nicht alleine in diesem Gebäude. Sie hatte Schritte und gedämpfte Stimmen aus den Räumen nebenan vernommen. Sie hatte Männerstimmen unterscheiden können und auch ein paar Frauen reden gehört. Junge und alte Stimmen, hohe und tiefe, wütende und ängstliche sprachen durcheinander.
    Ab und zu dröhnte unter ihr der Boden. Es war immer dieselbe CD, Britney Spears, und der Lärm kam von unten.
    Ob die Leute, die sie miteinander sprechen hörte, von ihrer Anwesenheit wussten? Hatten sie sie schreien gehört? Wussten sie, dass bei ihnen im Haus eine Frau auf dem nackten Boden lag, an ein Heizungsrohr gefesselt? Oder hatte ihr Entführer sie in eine leerstehende Wohnung in einem dieser anonymen Stadtviertel gebracht, wo zahllose Familien wohnten, die gar nicht mitbekamen, dass sie hier war?
    Nein.
    Sie hatte laut genug geschrien.
    Sie mussten es gehört haben.
    Es interessierte sie nicht.
    Sie spitzte die Ohren. Undeutliches Gemurmel, so weit entfernt, dass sie nicht verstand, worum es ging, ja nicht einmal, in welcher Sprache gesprochen wurde. Das Stimmengewirr wurde immer lauter, anscheinend Männerstimmen. Dann verstummten sie plötzlich, und es näherten sich Schritte. Mehr als eine Person. Zwei, drei?
    Sie hörte, wie ein Schlüssel

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