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Verschleppt

Verschleppt

Titel: Verschleppt Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Verhoef & Escober
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im Schloss herumgedreht und eine Tür geöffnet wurde. Vor Angst erstarrte sie. Der Knoten in ihrem Unterleib zog sich noch fester zusammen, ihre Nerven kreischten vor Anspannung.
    Drei. Drei Personen. Sie hörte das Geräusch der Schuhe auf dem Boden, das Geraschel der Jacken, die Atemzüge. Die Fremden kamen auf sie zu und bildeten einen Halbkreis um sie.
    Dann gab es nur noch ihre beklemmende, schweigende Anwesenheit im Raum.
     

13
     
    Südlich von München schlängelte sich die Autobahn durch eine immer rauere Landschaft. Links und rechts vom Asphalt erhoben sich massive Bergrücken, deren Gipfel durch eine dichte Wolkenschicht den Blicken entzogen waren.
    Ab und zu überholte Maier einen bergauf kriechenden Lastwagen, der auch zur österreichischen Grenze unterwegs war. Nur ganz selten wurde er selbst überholt, von einem BMW oder einem Mercedes.
    Er fuhr konstant im ruhigen Tempo von 130 Stundenkilometern. Er hatte es nicht eilig. Was immer ihn am Ende dieser Fahrt erwartete, es wartete dort schon seit siebenundzwanzig Jahren. Auf ein paar Tage mehr oder weniger kam es jetzt auch nicht mehr an.
    Myles Kennedy, der Frontmann von Alter Bridge, sang aus den Lautsprechern, er werde für den Rest seines Lebens Antworten finden, die schon immer da gewesen seien. Maier summte mit, genoss die Musik, die Aussicht und die Fahrt: In dem perfekt austarierten Wagen saß er wie in einem gut anliegenden Kleidungsstück. Die Maschine reagierte augenblicklich auf den kleinsten Impuls. Es war angenehm zu wissen, dass er immer noch in der Lage war, vor sich hin zu summen und einer Autofahrt etwas abzugewinnen.
    Er vermisste Susan. Fragte sich, was sie gerade machte, ob sie wohl auch an ihn dachte, verdrängte den Gedanken aber sofort wieder. Dass er Susan an sich gebunden hatte, war egoistisch gewesen. Diesen Fehler hatte er korrigiert, indem er sie verlassen hatte. Für sie wäre es wahrscheinlich gut, wenn sie so schnell wie möglich einen netten Kerl kennenlernte, der ihre vorbehaltlose Liebe wert war. Einen normalen, psychisch stabilen Menschen ohne tödlichen Ballast, so einen, der ihr das Frühstück ans Bett brachte. Das wäre für sie das Beste. Es wäre genau das Richtige.
    Ein netter Kerl.
    Susan und ein netter Kerl.
    Zusammen.
    Im Bett.
    Sein Gesicht verzog sich zu einer gequälten Grimasse. Er drehte die Musikanlage lauter. Nahm eine Zigarette aus der Packung und steckte sie wieder zurück. Legte die Packung auf den Sitz neben sich.
    Das Navigationssystem zeigte an, dass er noch fast tausend Kilometer vor sich hatte. Die Strecke führte quer durch Österreich, das nördliche Italien – Lombardei und Ligurien –und dann weiter nach Westen, ein ganzes Stück weit ins Landesinnere von Frankreich, parallel zum Mittelmeer.
    Puyloubier lag nordöstlich von Marseille.
    Der Ortsname selber sagte ihm nichts, obwohl er schon oft in der Provence gewesen war. In einem früheren Leben sogar fast jedes Jahr, weil Alice dort immer so gern Urlaub gemacht hatte. Er erinnerte sich an sanft ansteigende Hügel mit sehr gepflegten Olivenhainen und Weingärten sowie an große freistehende Häuser mit terrakottafarbenen Ziegeldächern in leichter Schräge. An Zufahrtsstraßen mit knirschendem Kies und an den gelben Staub, der hinter dem Wagen aufwirbelte, wenn man dort fuhr. An Palmen, Lavendelfelder und Oleandersträuche, so groß wie Pflaumenbäume. An das Meeresrauschen und das unablässige Zirpen der Grillen. An flimmernde Sommerabende.
    Wer in dieser Gegend ein Landgut bewohnte, musste unerhört reich sein. Dass seine Mutter eine dermaßen wohlhabende Person gekannt haben sollte, konnte Maier sich gar nicht vorstellen. Und doch hatte ein gewisser S. H. Flint ihr Grabrecht bezahlt, immerhin in den vergangenen siebzehn Jahren. Folglich kam bei dieser Person anscheinend zweierlei zusammen: ein ausreichendes Finanzpolster und Liebe – oder wenigstens Zuneigung – zu Maiers Mutter.
    Oder Schuldgefühl? Reue? Verantwortungsbewusstsein?
    Allerlei Möglichkeiten gingen Maier durch den Kopf. War es einer der Typen, die bisweilen scherzhaft verlangt hatten, er solle »Papa« zu ihnen sagen, und die dann von seiner Mutter angeschnauzt worden waren? Oder hatte er einen bis dato unbekannten Erbonkel? Einen älteren Halbbruder oder eine Halbschwester? Nein. Dafür war seine Mutter noch zu jung gewesen, als er selbst auf die Welt gekommen war.
    So rasch ihm diese Möglichkeiten in den Sinn kamen, so rasch verwarf er sie auch wieder. In

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