Bücher online kostenlos Kostenlos Online Lesen
Verschleppt

Verschleppt

Titel: Verschleppt Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Verhoef & Escober
Vom Netzwerk:
konnte, mit allem, was man in sich hatte: kämpfen um sein Leben.
    Er hatte es ihr so oft eingeschärft.
    Wieder spürte sie, wie ihr die Tränen kamen.
    Es gab nichts mehr zu kämpfen. Es war vorbei.
     

56
     
    Ilja schloss die Tür hinter den Kripoermittlern und wandte sich Maxim zu. »Gut, dass die abgezwitschert sind. Als hätten wir verdammt noch mal den ganzen Tag nichts anderes zu tun.«
    Swetlana seufzte, zog ihre hochhackigen Schuhe aus und ging in die Küche, um in einem kleinen, in blaues Plastik eingefassten Spiegel an der Innenseite des Küchenschranks ihr Make-up zu begutachten. Benetzte ihren Daumen und strich sich damit vorsichtig unter den Augen entlang.
    »Was für ein Schlappschwanz, der Alte, oder?«, rief Ilja.
    »Schwul«, urteilte sie. »Der hat ständig zu dir rübergeguckt. Du hättest ein bisschen netter zu ihm sein können.« Sie zog eine Schublade auf, nahm einen Kamm heraus und fing wild entschlossen an, ein paar blonde Locken hochzutoupieren. »Ich habe Hunger. Soll ich gleich mal Fritten holen gehen? Oder was Chinesisches?«
    Ilja hob die Brauen. »Meinst du wirklich?«
    »Was?«
    »Dass der schwul war?«
    »Hundert pro.«
    Maxim hörte die beiden reden, aber die Bedeutung der Worte drang nicht zu ihm durch. Ohne dass seine Leute etwas davon mitbekommen hatten, war er in eine andere Sphäre abgedriftet.
    Den ganzen Nachmittag hatten die verdammten Ermittler sein Wohn- und Empfangszimmer durchstreunt und dabei alles angegrabbelt, ganz so, als ob sie bei sich in der Kantine wären. Stundenlang hatten sie ihm nervige Fragen gestellt –eigentlich immer dieselbe, in immer neuen Formulierungen, sodass er gezwungen gewesen war, auch immer dieselbe Antwort neu zu formulieren und den beiden klarzumachen, dass sie bei ihm absolut an der falschen Adresse waren. Er wusste einfach nichts über Robbys Tod.
    Die ganze Zeit über hatte Maxim alles und jeden verflucht, wobei ihm ein säuerliches Lächeln wie eingemeißelt im Gesicht gestanden hatte. Innerlich hatte er getobt und gerast und mit jeder Faser seines eins achtzig langen Körpers nach einem Ventil gesucht: für den Hass, den Frust. Wochenlang hatte der sich aufgestaut. Er hatte ihn gerade noch im Zaum halten können. Aber die beiden Ermittler hatten das Fass zum Überlaufen gebracht.
    In seinem Innern war etwas zersprungen.
    Swetlana und Ilja hatten es nicht mitbekommen.
    »Willst du nicht diesen Wadim mal anrufen, dass er seine Mieze jetzt abholen kann?«, fragte Ilja.
    Maxim reagierte nicht. Er stampfte auf den Flur hinaus und blieb am Fuß der Treppe stehen. Schaute hinauf.
    Diese Scheißkripo.
    Dieser Scheiß-Robby, der sich unbedingt totschießen lassen musste.
    Dieser widerliche, fette Anton mit seinem stinkenden Geld, das er, Maxim, so dringend brauchte.
    Dieser verfickte Wadim, diese Qualle, dieser selbstgefällige, arrogante Emporkömmling.
    Diese dreckige Schlampe da oben. Die gefälligst hätte spuren müssen.
    »Hast du gehört?«
    Maxim sah auf. Runzelte verärgert die Stirn.
    »Was denn?«
    »Ob du nicht diesen Wadim mal anrufen musst?«
    »Wadim kann zur Hölle fahren.«
    Maxim ging die Treppe hinauf, wobei er mit jedem Schritt zwei Stufen nahm, mühelos, als wäre er an die Gesetze der Schwerkraft nicht mehr gebunden.
    »Was hast du vor?«, hörte er Swetlana am Fuß der Treppe rufen.
    »Ich habe Wadim oft genug gewarnt«, rief er wütend. »Der kann verrecken und seine Scheißschlampe auch!«
    »Maxim? Nein!«
    Er hörte sie nicht. Stiefelte über den Flur, stieß die Tür auf.
    Sie lag auf der Matratze auf dem Bauch, mit geschlossenen Augen. Die Füße ans Heizungsrohr gefesselt, die Handgelenke stramm auf den Rücken gebunden – das musste Ilja gerade getan haben. Wie eine braune Fontäne hing ein bescheuerter Pferdeschwanz an ihrem Hinterkopf. Sie hatte Swetlanas alte Stretchhose an. Und ein schwarzes, verschlissenes Glitzerteil, das ihr zu klein war. Das Weib hatte einen phantastischen Arsch. Das war ihm schon früher aufgefallen. Holländische Frauen wurden von russischen normalerweise weit in den Schatten gestellt, aber diese konnte noch halbwegs mithalten für ihr Alter.
    »Maxim!« Swetlana kreischte.
    Die Panik in ihrer Stimme versetzte das Bündel Frau auf der Matratze in Alarmbereitschaft. Es kam Bewegung hinein, als hätte sie geschlafen und wäre jetzt plötzlich aufgeschreckt. Sie wand sich, hob den Kopf und versuchte zu schreien, woran das schwarze Klebeband sie hinderte, sodass ihr Schrei in undeutlichen

Weitere Kostenlose Bücher