Verschleppt: Linda Roloffs sechster Fall (German Edition)
ihre Wipfel dagegen an die Palmen von Diani Beach erinnerten.
Diese ›Bäume‹
waren eigentlich riesige Sukkulenten, die in großzelligen Geweben große Mengen Wasser
speichern können. Buschmänner machten aus den ausgehöhlten Ästen Köcher für ihre
Giftpfeile, und Alan dachte unwillkürlich an N’gaoi, den Buschmann aus der Kalahari
Botswanas, der ihnen geholfen hatte, als sie den entführten Exmann Lindas im Okavangodelta
gesucht hatten.
Linda. Eine
Frau, von der er glaubte, sie sei die Liebe seines Lebens. Ihre Augen, ihr Mund,
ihre Haare, ihr Gesicht. Wenn er ihr sagte, dass er sich so seine Traumfrau vorstellte,
lachte sie und nannte ihn bekloppt.
Anfangs
mochte er dieses Lachen, weil es das Schönste für ihn war, wenn Linda lachte. Doch
mit der Zeit keimte in ihm der Verdacht, dass sie ihn auslachte. Er zweifelte immer
wieder, ob ihre Liebe zu ihm echt und ehrlich war. Wenn sie sich küssten, und er
ihre Zunge fordernd in seinem Mund spürte, waren seine Zweifel verflogen, und er
fühlte sein Herz schlagen, ja hüpfen, vor Glück.
Doch schon
eine halbe Stunde später, wenn er sie anrief, um ihr seine Liebe mitzuteilen, hatte
er wieder das Gefühl, mit einer ganz anderen Frau zu telefonieren. Das kalte ›Ja,
bitte?‹ holte ihn wieder auf den Boden zurück, versetzte ihm einen Stich, und er
redete wieder mit der coolen und toughen Journalistin, ihre Rolle, die sie so gut
und perfekt gab, als ob Kuss und heiße Berührung nie existiert hätten.
Mit der
Zeit hatte er sich an diese raue Schale gewöhnt, doch jetzt, wo sie schon wieder
seit Monaten getrennt waren, und nicht eine einzige SMS auf seinem Handy landete,
ihre wenigen Anrufe sich nur darum drehten, ihm von ihrem tollen Job zu erzählen
und er auf ein nettes Wort vergeblich wartete, zweifelte er wieder mehr denn je.
Auf Schritt
und Tritt begegnete ihm Linda in Afrika, in den einsamen Nächten am Lagerfeuer,
wie er sie mit ihr am Okavango erlebt hatte, auf einsamen Pads im offenen Jeep über
die Waschbrettpisten – so waren sie tagelang durch Kenya gefahren – und auch hier
auf Ojumamuya , wo es noch keine gemeinsame Vergangenheit gab. Von einer gemeinsamen
Zukunft wagte er erst dann zu träumen, wenn sie wirklich im Flieger nach Windhoek
saß.
Wilde Olivenbäume
gediehen an den Hängen des Hochtals, durch das er jetzt ging, immer enger traten
die Felsen rechts und links des Weges zusammen, schließlich führte der Pad – wie
die Farmer die Wege nannten – hinunter zu einem schmalen, von Algen grün gefärbten
Bachbett, in dem sich gut zehn Zentimeter lange Kaulquappen tummelten.
Oben an
den Berghängen konnte er die murmeltierähnlichen Dassies – eigentlich auf Grund
ihres Skelett- und Nervensystems die nächsten Verwandten der Elefanten – beim Sonnenbad
beobachten. Im Revier dieser Klippschliefer zog eine Pavianhorde fressend und kreischend
über die Bergkuppe.
Alan suchte
sich einen roten Felsen, der von den Strahlen der Sonne aufgeheizt worden war und
jetzt im Schatten einer großen Kameldornakazie lag. So in der Tat könnte das Paradies
ausgesehen haben, bevor Adam in den Apfel biss, dachte er. Eine stille, eine friedliche
Welt, deren einzige Geräusche das gleichmäßige Plätschern von Wasser aus dem nahen
Bach und das Rauschen des Windes in den Blättern der Köcherbäume waren. Vor der
Kulisse einer in der Abenddämmerung rot glühenden Bergkette zogen gemächlich die
fünf von seinem Onkel angesiedelten jungen Elefanten zum Stausee.
13
Lene Grandels Wohnung war klein
und stickig. Das Haus war in den Hang gebaut worden, der Keller reichte zur Gartenseite
unter die Terrasse, der Eingang zur Wohnung lag auf der Seite, eine Treppe höher,
quasi im ersten Stock. Linda fühlte sich durch die knarrenden Dielen im Flur, die
tickende Wanduhr und die düstere Tapete an die Wohnung ihrer Großmutter im Schwarzwald
erinnert. Ein bisschen war sie verwundert, dass der Zugang zur Wohnung nicht durch
ein Polizeisiegel versperrt war, nur im Garten hatte sie das Absperrband entdeckt.
Die Fenster
schienen seit Tagen nicht geöffnet worden zu sein, es roch nach Putzmittel, ranzigem
Bratenfett und altem Leder. Auch die Gerüche waren wie in Omas altem Schwarzwaldhaus.
Käthe Besserer führte Linda ins Wohnzimmer. Hier war die Luft etwas besser. Ein
200-Liter Aquarium stand als Blickfang an der Wand neben dem großen Panoramafenster.
Linda entdeckte Rote Neonfische, Glühlichtsalmler und Zebraschmerlen, die sich in
dem üppig
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